Wer sich für den letzten Tag der Erörterung zum Grundwassermanagement am 12.12. frei genommen hatte, konnte eine Veranstaltung der „besonderen Art“ erleben. Als einziges Thema hatte das Regierungspräsidium den Aspekt „Lärm und Erschütterung“ auf der Tagungsordnung. Auf dem Podium saßen neben den beiden Verhandlungsleitern des Regierungspräsidiums von Seiten der Bahn nur der S21-Projektleiter Stefan Penn, der Co- Geschäftsführer Peter Sturm, der Bahnrechtsanwalt Josef-Walter Kirchberg und zwei für das Grundwassermanagement zuständige Fachleute. Alle anderen sonst auf der Erörterung anwesenden Experten der Bahn, wie beispielsweise für die Geologie und den Tunnelbau, fehlten. Ebenfalls waren keine Vertreter der Fachbehörden des städtischen Umweltamts und des Landesamts für Geologie im Saal anwesend. Die Vertreterin des Eisenbahnbundesamts saß zwar im Publikum, antwortete jedoch auf keine der an sie gerichteten Fragen. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass alle Beteiligten den Tag lediglich als Pflichtübung betrachteten, um noch einen für das Grundwassermanagement selbst nicht relevanten Tagungsordnungspunkt „Lärm und Erschütterung“ formal und kurz abzuhandeln.
Fragen zu den Belastungen der S21- Baustellen im Hinblick auf die Immisionen oder die Belastungen durch die Rammpfähle wurden vom Rechtsanwalt der Bahn mit dem Hin- weis, dass diese nicht die Planänderung beträfen, abgewiesen. Auf Einwendungen von Seiten des Publikums, dass das Eisenbahnbundesamts trotz der Nebenauflagen aus der Planfeststellung in Untertürkheim zur Einhaltung der Lärmwerte nicht tätig wurde, reagierte weder die Verhandlungsleitung noch die Vertreterin des Eisenbahnbundesamts.
Zwar ließ die Verhandlungsleitung noch Verfahrensanträge und Wortmeldungen zu weiteren Themen zu. Diese wurden jedoch lediglich zu Protokoll genommen. Zu den meisten Beiträgen der Teilnehmer äußerten sich die Bahnvertreter nicht oder verwiesen bei Nachfrage darauf, dass die entsprechenden Experten fehlten. Dabei zeigten die Wortmeldungen der Teilnehmer, dass noch zahlreiche Fragen im Rahmen der ersten Erörterungswoche nicht oder nur unzureichend abgehandelt wurden, wie beispielsweise die Risiken der Neckarunterquerung für das Mineralwasser. Update: Lesen Sie hier noch den umfangreichen Antrag zur Behandlung der noch offenen Punkte von Ulrike Braun.
Sabine Reichert vom Landesnaturschutzverband wies in ihrem Antrag auf Ablehnung des Planänderungs-antrages der Bahn noch einmal ausführlich auf die rechtlichen Knackpunkte bei der Genehmigung eines deutschlandweit einmaligen flexiblen, nach oben offenen Wasserrechts hin und kritisierte wie andere Teilnehmer im Saal die mangelnde Unabhängigkeit der Fachbehörden. Lesen Sie hier den Antrag des LVN und die Presseerklärung des Infobündnis Zukunft Schiene – Obere Neckarvororte und den bemerkenswerten Redebeitrag eines Teilnehmers zum Verfahren.
Die Vertreter der Netzwerke forderten zwar eine Behandlung und Klärung ihrer 35 offenen Fragen zur Gebäudesicherheit und die in ihrem Schreiben an das RP vom 16.11.2013 aufgelisteten bahninternen Risiken für die Gebäudesicherheit. Dennoch blieb es bei den Statements, da weder die Bahnvertreter noch die Verhandlungsleiter dazu Stellung nahmen. Auch auf den Einwand eines Teilnehmers mit Fotos zu den Wasserschäden im Wagenburgtunnel kam keine Reaktion vom Podium. Erst nach dem Vortrag von Dr.Ralf Laternser, Geologe und Vertreter des BUND, zu den beim Bau des Katzenbergtunnels eingesetzten Untersuchungs- und Messstandards bei der Unterfahrung der Häuser kam es ansatzweise zu einer fachlichen Diskussion. Ralf Laternser berichtete über das langfristige und komplexe Messsystem, das zur Sicherheit der vergleichsweise dünn bebauten Hänge über dem Katzenberg-Bahntunnel installiert wurde und auch während des Vortriebs eine maximale Sicherheit von Mensch und Gebäuden garantieren sollte. Die Folien seines sehenswerten Vortrags finden Sie hier. In Stuttgart wurde in einer seiner Einschätzung nach ungleich hangrutschgefährdeteren geologischen Grundsituation – wie des Kernerviertels- lediglich eine, zudem völlig fehl platzierte Messeinrichtung installiert. Auf Nachfrage konnten die Vertreter der Bahn keine Auskunft über die Anzahl und die Standorte der Messpunkte an den Hängen des Ameisen- und Killesbergs geben. Die Vertreter der Netzwerke wiesen wieder daraufhin, dass sie bereits in ihren Einwendungen und auf der letzten Erörterung eine Veröffentlichung der Messorte und -daten der sogenannten Trivec-Messungen zur Stabilität der Hänge gefordert hatten. Von Stefan Penn, dem jetzigen S 21-Projektleiter und dem damals für den Bau des Katzenbach-Bahntunnels Verantwortlichen kam lediglich die Aussage, dass dieses Messsystem erst nach dem Eintreten baustatischer Probleme installiert wurde. Dem widersprach Ralf Laternser und verwies auf die Fachveröffentlichung von Kirschke und Holzhäuser aus dem Jahr 2008.
In diesem Zusammenhang wurde von den Netzwerken und einigen Teilnehmern aus dem Publikum noch einmal die für die betroffenen Eigentümer völlig unzureichende Haftungs- frage angesprochen. Auf der Informationsveranstaltung der Bahn für die Bewohner des Kernerviertels erhielt ein Eigentümer auf die Frage nach der Haftung von einem Rechts-anwalt der Bahn die Antwort, dass hier die gesetzliche Regelung greife und er erst einmal der Bahn oder der beauftragten Baufirma ein Verschulden nachweisen müsse. Die Netzwerke fordern schon lange ein Beweisumkehr in den Gestattungsverträgen zur Unterfahrung der Gebäude. Die Einschätzung der Juristen zu Stuttgart 21 und ihren alternativen Gestattungsvertrag finden Sie hier. Nicht der Eigentümer, sondern die Bahn, die über alle Bauprotokolle verfüge, müsse nachweisen, dass der Schaden nicht von ihr verursacht wurde. Die Netzwerke beklagten zudem eine mangelhafte Informationspolitik der Bahn und forderten eine Informationsveranstaltung der Bahn für alle vom Tunnelbau unmittelbar betroffenen Anwohnern. Peter Sturm, Co-Geschäftsführer der neuen DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH, räumte auf der Erörterung Versäumnisse der Bahn in diesem Punkt ein.
Dr. Roland Morlock, Physiker und BUND-Vertreter, hielt danach noch kurz vor Ende der Erörterung einen Vortrag zu der bisher noch nicht thematisierten Hydrochemie, d.h. zu den mit dem künstlichen Wasserkreislauf verbundenen chemischen Prozessen. Zum Schluss der Veranstaltung wurden alle Anträge und Hinweise von den Teilnehmern des Publikums, dass zahlreiche Fragen noch nicht behandelt wurden und daher eine Fortsetzung der Erörterung erforderlich sei, von der Verhandlungsleitung des Regierungspräsidiums abgelehnt. Das Regierungspräsidium wird jetzt einen Bericht an das Eisenbahnbundesamt erstellen, der dann auf der Webseite des RPs ins Internet gestellt wird.
Lesen Sie hier noch die Berichte der beiden Stuttgarter Zeitungen zum letzten Tag der Erörterung zum Grundwassermanagement (StN / StZ)