Nach und nach erhalten die vom Tunnelbau betroffenen Grundstückseigentümer Post von der Bahn wegen der Unterfahrungsrechte für Stuttgart 21. Dabei ist das Vorgehen der Bahn nach Rückmeldungen von Eigentümern aus den Netzwerken nicht einheitlich. Innerhalb der Straßenzüge erhalten einige Eigentümer einen Vertragsvorschlag für einen Gestattungsvertrag, andere für eine Gestattungserklärung oder gar beides. Manche Eigentümer erhalten die Vertragsvorschläge wie von der Bahn angekündigt ein halbes Jahr vorher, andere nur sehr kurzfristig.
Viele Eigentümer fühlen sich dabei allein schon mit den unterschiedlichen Begriffsdefinitionen überfordert. Daher haben die Netzwerke jetzt eine kurzes Informationspapier zu den Begrifflichkeiten Gestattungsvertrag – Gestattungserklärung – vorzeitige Besitzeinweisung erarbeitet, das Sie hier aufrufen können. Bei diesen Hinweise handelt es sich jedoch nicht um eine Rechtsberatung. Dennoch hoffen wir, dass zumindest einen ersten Überblick für die betroffenen Eigentümer geben zu können. Die Netzwerke planen auch für Mitte Juli wieder eine Informationsveranstaltung im Rathaus, über die wir sie noch informieren werden.
Den Muster-Gestattungsvertrag der Bahn finden Sie hier. Wir möchten nochmals daraufhin weisen, dass die Netzwerke gegen eine Spende für die Vertragsverhandlungen alternative Muster für den Gestattungsvertrag und die Gestattungserklärung zur Verfügung stellen. Auch Eigentümer, die noch nicht den Netzwerken beigetreten sind, können die Vertragsmuster bei den Sprechern der jeweiligen Netzwerke (E-Mail-Adressen) beziehen. Aus Sicht der Netzwerke ist der von der Bahn mit Haus + Grund ausgehandelte Mustervertrag insbesondere im Hinblick auf die Haftungs- und Entschädigungsregelungen nicht ausreichend.
Dabei ist es wichtig, dass für die Vertragverhandlungen mit der Bahn Zeit zur Verfügung steht. Auch nach dem vom Rechtsanwalt der Bahn, Dr. Peter Schütz, mitverfassten Kommentar zum allgemeinen Eisenbahnrecht ist es erforderlich, dass „Gespräche oder Verhandlungen über die Besitzüberlassung stattgefunden haben.“ (Schütz in: Hermes/Sellmer, Beck’scher AEG Kommentar, 2. Aufl. (2014), Rdn. 20 zu § 21.)
Falls keine Einigung mit der Bahn in Form des Abschlusses eines Gestattungsvertrages oder einer Gestattungserklärung abgeschlossen wird oder der Eigentümer sich weigert, wird von Seiten der Bahn das Verfahren einer vorzeitigen Besitzeinweisung vor dem Regierungspräsidium eingeleitet. Wie dieses Verfahren abläuft, darüber wollen wir auch in unserer geplanten Veranstaltung informieren.
Mittlerweile liegt auch eine neue Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 9.3.2015, Aktenzeichen 5 S 302/15 zur vorzeitigen Besitzeinweisung vor. Ein von der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm betroffener Eigentümer klagte in einem sogenannten Eilverfahren gegen die vorzeitige Besitzeinweisung. Der Eigentümer wollte den Vertragsvorschlag der Bahn nur unter der Bedingung akzeptieren, dass dieser um „zur Durchführung berechtigter Schutzverlangen erforderliche Regelungen“ ergänzt wird (siehe S. 6 und 7, insbesondere S. 6, Zeile 6 und 11/12).
Nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes liegt jedoch keine Einigung auf einen Gestattungsvertrag vor, wenn der Eigentümer einen Vertragsvorschlag nur unter Bedingungen akzeptiert. Solange man sich mit der Bahn nicht über alles, also auch über vom Eigentümer vorgeschlagene Ergänzungen geeinigt hat, liegt im rechtlichen Sinne kein Vertrag vor. Vielmehr hat sich damit aus Sicht des Gerichtes der Eigentümer im Sinne von § 21 Abs. 1 AEG geweigert “ …der Eisenbahn die Grundstücke zu überlassen…“ Diese Entscheidung ist zwar aus Sicht der betroffenen Eigentümer bedauerlich, muss aber bei den Vertragverhandlungen mit der Bahn berücksichtigt werden.