Das Eisenbahn-Bundesamt hat gestern in einem Bescheid (hier) die beantragte Planänderung zum Nesenbachdüker – verkürzte offene Bauweise statt bergmännisch unter Druckluft – genehmigt. Gegen die Planänderung hatten Umweltverbände in der nicht-öffentlichen Anhörung zahlreiche Kritikpunkte geäußert. Der Düker ist das tiefgreifendste Bauwerk im Bereich des Tiefbahnhofs, das den mineralwasserführenden Schichten gefährlich nahekommt. Umweltverbände, wie der BUND und kritische Geologen sehen auch bei der geänderten Bauweise ein großes Risiko (Kontext-Video), zumal in der Planfeststellung die damals genehmigte bergmännische Herstellung unter Druckluft als alternativlos dargestellt wurde.
Massiv kritisiert wurde auch, dass mit der offenen Bauweise tiefe Eingriffe in die Verkehrsinfrastruktur der Stadt – jahrelange SSB-Sperrungen bzw. Umleitungen und Eingriffe in den Straßenraum der wichtigen Verkehrsachse Schillerstraße – verbunden sind, ohne dass die Pläne ausgelegt und die betroffenen Bürger angehört werden, so z.B. im Schreiben des LNV vom 22.Januar 2014 an das EBA. Wir haben darüber mehrfach berichtet, zuletzt am 30.Januar 2014 im Beitrag „StN: Neuplanungen der Bahn zum Nesenbachdüker sind mangelhaft und verursachen ein Verkehrschaos„. Weitere Informationen finden Sie unter dem Stichwort SSB.
Doch das alles ficht das EBA nicht an. Die mit der Planänderung verbundenen verkehrlichen Probleme und die Gegensteuerungsmaßnahmen werden im Bescheid nicht abschließend geklärt, sondern einfach auf die Bauausführungsphase verschoben. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Planfeststellungsauflagen schreibt das EBA dieses Mal bei der Baugenehmigung nicht vor, dass zur Sicherstellung des Verkehrsflusses alle Fahrbahnspuren der Schillerstraße erhalten werden müssen. Wegen der Beeinträchtigungen des öffentlichen und privaten Personenverkehrs soll sich die Vorhabenträgerin mit der Stadt Stuttgart abstimmen. Die jahrelangen Unterbrechungen der Stadtbahnlinien – ursprünglich geplant waren 14 Tage – seien hinnehmbar und von der SSB durch entsprechende Maßnahmen beherrschbar. So heißt es beispielsweise im Bescheid:
„Die Vorhabensänderung führt zu einem zuvor nicht erforderlichen bauzeitlichen Eingriff in den Straßenraum und damit in die Verkehrsführung in der Schillerstraße. Die Aufrechterhaltung des hierüber geführten Verkehrs ist beabsichtigt. An diesem Belang orientiert sich die Organisation des Bauablaufes…
Auch die Betriebszustände beim Bau der Stadtbahnhaltestelle Staatsgalerie müssen vorhabensbedingt verändert werden. Während ursprünglich der Dükerbau unter Betrieb der Bestandsachsen 1 und 4 beabsichtigt war, kann der verkürzte Düker nunmehr nur bei deren Stilllegung errichtet werden. Dies folgt aus dem Umstand, dass der Düker in der beantragten Variante über die neue Achse 34 unter Abbruch der alten Achse 1 geführt wird. Die SSB AG erarbeitete für die Bewältigung des Passagieraufkommens während der Bauzeit ein Konzept….
Zwar wird in die Verkehrsführung durch das Vorhaben stärker eingegriffen. Die von den Trägern öffentlicher Belange auch zu dieser Frage abgegebenen Stellungnahmen und Konzepte lassen indes den Schluss zu, dass keine unzumutbaren Zustände auftreten werden.“
Das EBA hat damit die Latte mit dem Kriterium „Alles was den Stuttgarter Bürgern nicht unzumutbar ist, ist auch genehmigungsfähig“ bei Stuttgart 21 bedenklich hoch gehängt. Dies lässt befürchten, dass dies zum niedrigen Standard im weiteren Bauablauf wird. Zwar dauerte der Genehmigungsprozess vom Antrag der Bahn bis zum gestrigen Bescheid rund 15 Monate und aus dem Text des Bescheides geht auch hervor, dass die Bahn auf Druck der Behörden mehrfach Unterlagen nachreichen musste und das EBA Auflagen für die Sicherheit des Mineralwassers erließ. Dennoch wurde die Planänderung im Hinblick auf die gravierenden Auswirkungen auf den Verkehr ohne Beteiligung der betroffenen Stuttgarter Bürger als „unwesentliche Änderung“ wie beantragt durchgewunken. Wegen der drohenden weiteren Bauverzögerung ordnet das EBA wie auch beim Grundwassermanagement einen sofortigen Vollzug an.
Update 12.11.2014: Die Stuttgarter Zeitung (hier) berichtete über die Genehmigung der neuen Bauweise und meldet, dass auch der Verkehr in der Schillerstraße nicht beeinträchtigt wäre. Die Bahn würde die Erhaltung aller Fahrspuren garantieren. Woher die StZ diese Information hat, wird nicht deutlich- jedenfalls nicht aus dem Genehmigungsbescheid des EBA.