Letzten Freitag trafen sich Vertreter der Bahn und der Projektpartner von Land, Stadt und Region wieder zur halbjährlichen Sitzung des Lenkungskreises. Die beiden Stuttgarter Zeitungen (hier) berichteten darüber. Im Mittelpunkt der Sitzung stand die Unterzeichnung des Finanzierungsvertrags für den Bau der jetzt zweigleisig geplanten Wendlinger Kurve. Wir werden noch über den Baufortschritt, der in den Lenkungskreisunterlagen vom 3.Mai 2019 präsentiert wurde, berichten.
Ein Satz in der Meldung der Stuttgarter Nachrichten (hier) macht hellhörig: [Verkehrsminister] „Hermann sprach Schwierigkeiten bei Stuttgart 21 an. Die Bahn habe dem Lenkungskreis über Wassereintritt in einem im Anhydrit liegenden Tunnel berichtet. Das werde „beobachtet“. Anhydrit quillt bei Wasserzutritt stark.“
Darüber muss die Bahn ihre Projektpartner nur mündlich informiert haben. Jedenfalls enthalten die Lenkungskreisunterlagen zum Anhydrit dazu keinen Hinweis. Wie auch in den vergangenen Präsentationen finden sich nur nähere Informationen über den Anhydrit im PFA 1.5. beim Bau des Feuerbacher und Bad Cannstatter Tunnels. Die Folie ist zudem nahezu wortgleich mit der Folie aus der vorletzten Lenkungskreissitzung vom November 2018. Nur in einem Satz auf der Folie 23 beim Vortriebstand des Obertürkheimer Tunnels („Los 1B: Abdichtungsinjektionen im Anhydrit“), informierte die Bahn darüber, dass auch bei diesem Tunnel Injektionen zum Schutz vor eindringendes Wasser durchgeführt werden, über die wir bereits im März 2019 berichtet hatten.
Es ist zu vermuten, dass die Bahn in der Lenkungskreissitzung verspätet über den Wasserzutritt im Anhydrit beim Bau des Obertürkheimer Tunnels informierte, der bereits 2017 am Rande von Gablenberg stattgefunden hat. Den Wasserzutritt und die Injektionen, die zum Schutz vor Quellvorgängen durchgeführt wurden, konnte man einem im EU-Amtsblatt veröffentlichten Nachtrag vom Dezember 2017 zur Durchführung von Injektionen im Gleis 61 HBF (TM 2260-2400) entnehmen. Darin heißt es:
„Trotz umfangreicher geologischer Erkundungsmaßnahmen im Vorfeld wurden während der Ausführung des Vortriebs im Bereich der Gleisachse (GA) 902 bzw. 62 Hbf Wasserzutritte im Anhydrit führenden Gebirge festgestellt, welche möglicherweise im Zusammenhang stehen mit einer bislang unbekannten geologischen Störung. Nach Maßgabe des Sachverständigen Tunnel müssen die Wasserzutritte in der Formation km 1BH wirkungsvoll unterbunden werden, um unkontrollierte Quellvorgänge mit einhergehenden Folgeschäden dauerhaft auszuschließen. Das Injektionskonzept WBI, so übermittelt am 28.11.2017, ist deshalb zwingend und zeitnah umzusetzen. Die Anordnung führt zu keiner Veränderung des Gesamtcharakters des Hauptauftrages. Die Injektionsmaßnahmen sind erforderlich, um das beauftragte Bau-Soll zu realisieren und das bestehende Baugrundrisiko zu reduzieren.“
Weitere Nachträge vom 31.05.2018 und 10.08.2018 enthielten die Information, dass wegen der erforderlichen Injektionen geplante Injektionsringe in den Tunnelachsen 61 und 62 modifiziert und verschoben werden mussten.
Laut dem Nachtrag fand der Wasserzutritt in der Gleisachse 61 zwischen den Tunnelmetern 2260 bis 2400 statt. Anhand einer Anlage zum Planfeststellungsbeschluss 1.6a (Anlage_02_05_Blatt_01_von_02) dürfte dies am Rande der Gablenberger Bergstraße und dem angrenzenden Hang zu lokalisieren sein:
Das Netzwerk Gablenberg hatte sich daher letztes Jahr Ende August in einem Schreiben mit folgenden Fragen an den damaligen Geschäftsführer der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH, Peter Sturm, gewandt:
Mit Schreiben vom 10.September 2018 antwortete Herr Sturm, dass es sich lediglich um Sickerwasser handle und dieses in einem anhydritfreien Abschnitt aufgetreten wäre:
Allerdings enthielt der EU-Nachtrag den klaren Hinweis, dass der Wasserzutritt im Anhydrit führenden Gebirge stattfand, möglicherweise über eine geologische Störung und nicht über Tunnelwasser. Auch dass Gegenmaßnahmen erforderlich waren, um „unkontrollierte Quellvorgänge mit einhergehenden Folgeschäden“ zu verhindern.
Daher hakte das Netzwerk Gablenberg im März 2019 im Nachgang der Tunnelführung unter dem Kernerviertel bei Andreas Dörfel, Teamleiter Technisches Projektmanagement Abschnitt 1.2/1.6a, nach den Hintergründen und mehr Details zum Wasserzutritt im Anhydrit führenden Gestein während des Vortriebs nach. Doch seine Antwort zu den Injektionen im Obertürkheimer Tunnel, über die wir am 23.März berichtet hatten, ging nicht darauf ein.
Das Eingeständnis der Bahn auf dem Lenkungskreis bestätigt den Wasserzutritt in den Anhydrit und dass dies beobachtet werde. Von daher wäre es an der Zeit, dass nicht nur die Projektpartner, sondern auch die Öffentlichkeit und insbesondere die Anwohner darüber informiert werden.