Zum ersten Durchschlag beim Feuerbacher Tunnel, dem „vielleicht kompliziertesten Tunnelbau Deutschlands“

Letzten Montag feierte die Projektgesellschaft den ersten Durchschlag beim Feuerbacher Tunnel unter dem Kriegsberg. Der Durchschlag ist in dieser Vortriebs-Grafik der Projektgesellschaft vom 26.Februar lokalisierbar:

Die Projektgesellschaft informierte in einer Pressemitteilung (hier). Die beiden Stuttgarter Zeitungen (StZ / StZN) und Eisenbahn-TV (hier) berichteten ausführlich über den Tunneldurchschlag im schwierigen Gestein. Wir möchten einige Punkte daraus aufgreifen:

1.Tunnelvortrieb im Anhydrit

Wie bereits berichtet, war der Tunnelvortrieb im Feuerbach Tunnel wegen des tiefliegenden Anhydrits extrem schwierig. Laut StZ lagen von den rund 1.000 der 2.000 Meter, also die Hälfte, zwischen dem Zwischenangriff Prag und dem Kriegsberg im stark quellfähigen Gestein. Als zusätzliche Sicherungstechnik mussten die Mineure zum Schutz vor eindringendes Wasser „große Mengen an Kunstharz in das umgebende Gestein injizieren. Abschnittsleiter Christoph Lienhard spricht in der StZ mittlerweile vom „vielleicht kompliziertesten Tunnelbau Deutschlands“.

Über die Salami-Taktik der Bahn in Sachen Anhydrit-Risiko, über das  auch die betroffenen Anwohner von der Bahn nicht oder völlig unzureichend informiert wurden, hatten wir ausführlich Mitte Februar berichtet.

Der staubtrockene und langwierige Vortrieb war für die Mineure enorm belastend.  Johann Bachsleitner, der als Projektleiter für die Arbeitsgemeinschaft der Baufirmen auf der Durchschlagsfeier sprach, ging in seiner Rede darauf ein: „Ein tägliches Ringen der Mineure mit diesen schwierigen Umständen. Ein Ringen mit sich selbst, jeden Tag zu motivieren, diese staubige Röhre einzufahren und da sein Tagwerk zu vollbringen. „Gemma, Gemma, Meter, Meter“, das ist unsere Parole. Was nicht heißt, dass man sich ein Ziel setzt, bevor man in die Schicht geht. Wenn man das erreicht hat, dann zufrieden in den Feierabend geht. Das war hier eher selten der Fall. Und somit war so mancher Arbeitstag durchaus frustrierend. Die Parole hat eher geheißen: „Auf geht´s, durchhalten“. Und dieses Ringen, hier seine Arbeit zu tun, unter diesen schwierigen Umständen, dafür gilt Euch Mineuren die allerhöchste Anerkennung.“

2. Hebungen im Anhydrit

Die StZ schreibt über die bislang eingestetzten Hebungen im Anydrit: „Es scheint den Tunnelbauern bislang geglückt zu sein, ein solch heikles Zusammentreffen von Feuchtigkeit und dem Gestein zu vermeiden. „Wir hatten in wenigen Abschnitten eine Hebung an der Oberfläche, die aber maximal 15 Millimeter betragen hat“, sagt Lienhart.“

Unter „Oberfläche“ ist jedoch nicht auf die Geländeoberfläche zu verstehen. Von daher ist die Aussage in der StZN-Meldung durchaus missverständlich: „Man wolle die Herausforderung meistern, peile im Juli den Durchschlag im Paralleltunnel an, und man habe „keine nennenswerten Hebungen“ zu verzeichnen. Die letzte Äußerung dürften Anwohner, die über Risse in ihrem Haus klagen, bezweifeln.“ Wie bereits berichtet, beklagten letztes Frühjahr mehrere Anwohner des Kriegsbergs nach den Sprengerschütterungen deutlich Risse in ihren Wohnhäusern (und nicht wegen Hebungen durch den Anhydrit).

Allerdings dürfte die Prognose der 2016 vom Bahn-Aufsichtsrat beauftragten Gutachter von KPMG bzw. Ernst, Basler + Partner die Anwohner über den beiden Tunnelröhren nicht beruhigen. Die Experten gingen im Gegensatz zum Tunnelsachverständigen der Bahn davon aus, dass beim Feuerbacher Tunnel wegen der schwierigen Geologie allein bis zur Inbetriebnahme von Stuttgart 21 zu 15% mit Hebungen bis an die Geländeoberfläche zu rechnen sei.

3. Tunnelverschalung im Anhydrit

Entgegen dem durchgesickerten KPMG-Gutachten, das noch von zwei Jahre Standzeit nach dem Vortrieb ausging, sollen die Arbeiten zum Einbau der Innenschale doch starten. Der StZ-Artikel macht deutlich, welche zusätzlichen Sicherungen entlang der anhydritführenden Strecken beim Feuerbacher Tunnel  im Anhydrit erforderlich sind: „Auch beim nun anstehenden nächsten Arbeitsschritt, bei dem die Röhre mit einer Betonschale ausgekleidet wird, spielt der schwierige Untergrund eine bremsende Rolle. Im Abstand von einem Meter wird in den Anhydritabständen rings um den Tunnelquerschnitt bis zu vier Meter in das Gestein gebohrt und dort ein Gel hineingepresst, dass die Spalten und Klüfte verschließen soll, auf dass auch in Zukunft kein Wasser in Richtung Tunnel sickert. Zudem wird die Wandstärke in diesen Bereich verdoppelt. Statt 50 Zentimeter wird die Tunnelschale ein Meter dick. Wo in anderen Tunneln zwischen 100 und 140 Kilo Baustahl je Kubikmeter Beton verbaut wird, summiert sich das im Feuerbacher Tunnel auf bis zu 265 Kilo.

4. Zeitplan

Zum Zeitplan für den weiteren Vortrieb sind im StZ-Artikel mehrere Informationen enthalten:

  • Mit dem Tunneldurchschlag der Parallelröhre unter dem Kriegsberg rechnet die Projektgesellschaft für Juli 2018.
  • Zur Fertigstellung des Tunnelvortriebs fehlen dann noch im Bereich des Feuerbacher Bahnhofs rund 60 Meter, die erst 2019 realisiert werden sollen. Die StZ schreibt dazu: „Dieser letzte Abschnitt ist nicht ganz trivial. Weil dort zwei Gleise in einer Röhre liegen, ist der Querschnitt deutlich größer als in den übrigen für je nur ein Gleis bemessenen Tunneln. Zudem nimmt der Abstand zur Oberfläche kontinuierlich ab. Außerdem müssen dort noch Gleise der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) unterquert werden.“
  • Die aufwendigen Verschalungarbeiten im Anhydrit werden drei Mal soviel Zeit beanspruchen. Die StZ schreibt: „Der Mehraufwand bleibt nicht ohne Folgen für den Terminplan. Wo ansonsten ein Tag Bauzeit für einen zehn Meter langen Innenschalenblock ausreicht, kalkulieren die S-21-Bauer in den Anhydritbereichen mit drei Tagen.“

Die schwierige Geologie scheint den Projektleiter der Baufirmen nicht gerade optimistisch zu stimmen. Die StZN schreiben dazu: „Mancher Arbeitstag war frustrierend“, sagte Bachsleitner. Sein letzter Tunneldurschlag liege achteinhalb Jahre zurück. Es obliege ihm nicht zu prognostizieren, „ob hier in achteinhalb Jahren die ICE rollen“, so der Projektleiter. Dann schriebe man 2026, und das wäre etwas spät. Bahnvorstand Ronald Pofalla hatte dem Aufsichtsrat des Schienenkonzerns zuletzt für die Inbetriebnahme von Tiefbahnhof und Strecke Ende 2025 genannt.“

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