Die beiden Stuttgarter Zeitungen berichtete gestern (StZ / StN), dass die Bahn den im April 2016 ausgeschriebenen Auftrag für den Gleisbau/ Bahntechnik in einer aktuellen EU-Bekanntmachung aufgehoben hat. In zwei Lose waren insgesamt für den neuen, unterirdischen Stuttgarter Bahnknoten 92 Kilometer Gleise und 76 Weichen ausgeschrieben.
Die StZ schreibt: „Es müsse „Unternehmen am Markt, die sich seinerzeit (April 2016) nicht bewerben wollten oder konnten, die Möglichkeit eingeräumt werden, sich nunmehr am Vergabeverfahren zu beteiligen“, heißt es in der Veröffentlichung. „Demgemäß werden die ausgeschriebenen Leistungen in allernächster Zeit erneut europaweit ausgeschrieben werden“, steht in der Verlautbarung. Wie der neue Zeitplan aussieht, war bei der Bahnprojektgesellschaft Stuttgart-Ulm (PSU) zunächst nicht zu erfahren.“
Die Stuttgarter Nachrichten erwähnen in ihrer Meldung, dass „die Bahn bei Ausschreibungen neuerdings mit „fundamentalen Abweichungen“, also sehr viel teureren Angeboten als erwartet, konfrontiert sei.“ Die StZ verweist auf die letzte Woche erfolgte Vergabe des Auftrags für den Gleisbau entlang der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm.
Aus unserer Sicht sind dazu noch folgende Punkte anzumerken:
- Der Auftrag für die Neubaustrecke zeigt, dass der S21-Auftrag nicht aus rechtlichen Gründen wegen der zu langen Zeitdauer aufgehoben wurde. Das Vergabeverfahren für der Gleisbauarbeiten für die Neubaustrecke startete bereits im Dezember 2015. Dennoch konnte hier nach rund zwei Jahren Verfahrensdauer der Zuschlag erteilt werden. Die Ausbauarbeiten entlang der Neubaustrecke sollen innerhalb von 60 Monaten (5 Jahre) realisiert sein. Eine Inbetriebnahme der Neubaustrecke Stuttgar-Ulm stünde damit frühestens Ende 2022 an.
- Von daher liegt es nahe, dass allein schon der Zeitverzug bei den Bauarbeiten für Stuttgart 21 den Ausschlag für die Aufhebung gab. Nach der im April 2016 veröffentlichten Bekanntmachung sollten die ausgeschriebenen Gleisbauarbeiten für den Stuttgarter Bahnknoten innerhalb von 48 Monaten nach Auftragsvergabe realisiert werden. Dieser Zeitplan ist mit Blick auf den auf Ende 2024 verschobenen Inbetriebnahmetermin obsolet. Aktuell sind rund 60 Kilometer Tunnel vorgetrieben. Bevor der Innenausbau starten kann, müssen erst einmal die rund bergmännisch aufgefahrenen 45 Kilometer Tunnel innenverschalt werden. Nach den derzeit bekannten Bahninformationen wurden neben den maschinell aufgefahrenen Strecken des Fildertunnels erst der Abschnitt des Bad Cannstatter Tunnels zwischen dem ZA Nord und der Ehmannstraße, die schmale Rettungszufahrt neben dem Wagenburgtunnel sowie ein Abschnitt des Verzweigungsbauwerks unter dem Kriegsberg innenverschalt.
- Viele Abschnitte der S21-Tunnel verlaufen in einer kritischen Geologie, die die Innenausbauarbeiten verzögern kann. So hängt der Start der Innenverschalung bei den beiden Tunneln unter dem Killesberg von der erfolgreichen Umsetzung der Kunstharzabdichtungen gegen Wasserzutritt in den quellfähigen Anhydrit ab. Zudem verlaufen einige der S21-Tunnelstrecken in geologisch kritischen Bereichen, die mit Blick auf mögliche weitere Senkungen vor dem Einbau der Betonfahrbahn beobachtet werden müssen. Erst Anfang November 2017 wurde ein Auftrag an einen Sachverständigen für die „Gesamtheitliche Verformungsbetrachtung“ der Betonfahrbahn mit Verlängerungsoptionen bis Februar 2026 vergeben.