„Bahn-brechendes“ Gespräch des Netzwerks Killesberg wegen Gebäudeschäden. Gutachter der Bahn sieht jedoch keinen Zusammenhang mit Tunnelbau

Bericht Ulrich Hangleiter, Netzwerk Killesberg und Umgebung e.V.:

Eine Pressemitteilung des Netzwerks Killesberg und ein nachfolgender Artikel in den Stuttgarter Zeitungen am 1. Februar über Risse an Häusern am Kriegsberg haben viel Furore gemacht. Und die Bahn, die mit den Schäden schon im Dezember konfrontiert worden war, rührte sich ungewöhnlich schnell und lud für den 13. Februar zu einem Gespräch ein. Bei diesem Gespräch sollten die Ursachen für die Risse an Gebäuden in den Straßen Am Kriegsbergturm, Wilhelm-Hertz- und Panoramastraße hinterfragt und diskutiert werden.Diese liegen ja bis zu 70 Meter von der Oströhre des Cannstatter Tunnels und damit vom Ort der Sprengungen entfernt. Insbesondere sollten auch die Ungereimtheiten bei den Trivec-Messungen, die verlässliche Aussagen über die Hangbewegungen hätten liefern sollen, diskutiert werden.

Das Gespräch am 13.02. fand in großer Runde statt. Die Bahn kam mit neun Personen sowie mit Unterstützung von Professor Walter Wittke und Dr. Martin Wittke als Gutachter. Auch das Netzwerk war in „starker Besetzung“ – nämlich mit drei Mitgliedern des Vorstands sowie mit Rechtsanwalt Dr. Wirsing und dem Geologen Dr. Behmel – angerückt. Über zwei Stunden lang dauerte die Diskussionsrunde. Die Aussagen, die dabei gemacht wurden, waren „Bahn-brechend“.

Bemerkenswert war u.a. die Aussage von Dr. Florian Bitzer: „Ein Anfangsverdacht drängt sich auf.“ (Sie passt zu der von Geschäftsführer Leger am 01.02.17 geäußerten Vermutung: „…dass sie (die Schäden) auf uns zurückzuführen sind“. Noch bedeutsamer, ja geradezu revolutionär, sind zwei Aussagen, die Prof. Wittke bei dem Gespräch geäußert hat: „Es traten Schäden an Gebäuden auf, von denen wir bei der Planung nicht ausgegangen sind“ und „Wir lagen mit dem 30m-Korridor bislang immer richtig. Hier ist es zum ersten Mal nicht so.“

Im Diskurs mit der Bahn wurde deutlich, dass es sich am Kriegsberg – so wie an anderen Stellen im Stuttgarter Untergrund auch – um eine labile Formation handelt. Dr. Behmel hat hier mit kritischen Fragen sowie mit Folgerungen aus der Geologie Wirkung erzielt. In seiner Präsentation stellte er u.a. fest: „Durch Sprengen und Meißeln beim Tunnelbau reagiert der Hangschutt mit Schwingungen höherer Amplituden als das Festgestein. Dabei entstehende Gefügelockerungen bewirken ein verstärktes Kriechen und Rutschungen.“ Er wies – wie mehrfach seit 2012 (Oktober 2012 / Juni 2013 / September 2013) – darauf hin, dass „schematische Beweissicherungsgrenzen symmetrisch zur Tunnelfirste geologisch nicht begründet sind, sie müssen vielmehr nach der anisotropen geologischen Struktur parzellenscharf ausgewiesen werden“.

Dies passt zu der Feststellung von Prof. Wittke, dass die 30m-Grenzen eben nicht immer passen. (Merke: die Geologie hält sich nicht an die Beweissicherungsgrenzen der Bahn-Planer.) Dr. Behmel wies auch auf die Stellungnahme des Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau vom 31.07.2013 hin, in dieser die Behörde folgende Empfehlung für die Beweissicherung beim S21-Tunnelbau abgab: „Das LGRB empfiehlt, wie bei anderen Bauvorhaben in Stuttgart praktiziert, jenseits der Beweissicherungs-Grenzen Setzungsmessungen an Gebäuden entlang der Tunneltrassen entsprechend dem Baufortschritt so lange durchzuführen, bis nachweislich keine Setzungen mehr auftreten.“

Am Ende des Gesprächs wurde dann vereinbart, dass Erschütterungsmessungen im Zuge des Vortriebs ausgewertet und dem Netzwerk zur Verfügung gestellt werden. Diese hat die Bahn dann am 27.02. – zusammen mit dem Gutachten eines Sachverständigen für Sprengtechnik – geliefert. Das Gutachten gipfelt in der Aussage: „Es ist … mit deutlichen Sicherheiten davon auszugehen, dass die … durchgeführten Sprengungen … nicht zu diesen Gebäudeschäden geführt haben.“ Allerdings bezieht sich der Sachverständige auf die DIN 4150 Teil 3 (Einwirkungen auf bauliche Anlagen). Dass die Sprengungen und die resultierenden Erschütterungen den Kriegsberghang mit seinem Lockergestein gerüttelt und in Bewegung gebracht haben, ist damit nicht widerlegt.

Die Vertreter des Netzwerks meinen: Das Verhalten des Bergs und seiner Geologie entzieht sich einer DIN-genormten Betrachtung, was heißt, dass die Fernbeurteilung des Gutachters nicht ausreicht, um den Tunnelbau als Ursache für die aufgetretenen Schäden auszuschließen. Die Netzwerker drängen derzeit nicht auf eine abschließende Klärung der Verantwortlichkeit. Schließlich stehen unter dem Kriegsberg noch drei weitere Tunnelvortriebe und weitere Sprengungen an, bei denen weitere Schäden auftreten können. Allerdings wird die Bahn diese wohl – gewarnt durch die aktuellen Vorgänge – mit besonderer Sorgfalt durchführen. Die Eigentümer sind aufgefordert, alle neu auftretenden Schäden an die Bahn zu melden.

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