Weiterhin spüren die Degerlocher trotz der hohen Überdeckung von mehr als 100 Meter die Erschütterungen und den Lärm durch den an sieben Tagen rund um die Uhr stattfindenden Sprengvortrieb. Im letzten Rundmail der Degerlocher ObenBleiben-Gruppe vom 19.Februar heißt es:
„Obwohl sich der Spreng-Ort weiter von der Falterau entfernt, sind in der Falterau die Sprengungen deutlich zu hören, da die Schallwellen vermutlich durch die bereits erstellte Röhre wie durch einen Schalltrichter verstärkt werden. Die Nachtruhe der Anwohner ist erheblich beeinträchtigt! Aus der Zeitenfolge der Sprengungen kann geschlossen werden, dass die Buddelei inzwischen an 2 Fronten erfolgt:
– Weströhre Richtung Fernsehturm im Bereich des Waldes oberhalb des Naturfreundhauses Rosshau.
– Querstollen zwischen Weströhre und noch nicht erschlossener Oströhre (500m entfernt
vom ersten Querstollen in Höhe Jasminweg).“
Die Klagen der Degerlocher Anwohner über die Beeinträchtigungen durch den Sprengvortrieb sind nicht neu. Im letzten Sommer starteten die Vortriebsarbeiten unter Degerloch. Seit Herbst fühlten sich zahlreiche Anwohner insbesondere durch die nächtlichen Sprengungen stark beeinträchtigt. Die Medien berichteten darüber, wie beispielsweise der SWR Anfang November in einem Audio-Beitrag (hier). Damals wies der Projektsprecher die Vorwürfe der Anwohner zurück. Wir zitieren aus dem SWR-Radio-Beitrag:
„Auf die Vorwürfe der Bewohner in Degerlocher reagiert Stuttgart 21- Projektsprecher Jörg Hamann so: Wir können an dieser Stelle keine Kompromisse eingehen. Es gibt dafür in einem Rechtsstaat Vorschriften, die wir zu 100% einhalten und bei der Realisierung eines solchen Großprojektes sind wir angewiesen auch Tunnelmeter tagtäglich machen zu müssen. Und es gibt natürlich subjektive Wahrnehmungen und gegen subjetive Wahrnehmungen können sie mit objektiven Messungen nicht argumentieren.“
Nachdem die Beeinträchtigungen durch die Sprengungen weiter anhalten, haben wir einen Blick in die Erschütterungsmessprotokolle geworfen, die die DB Projekt Stuttagrt-Ulm (PSU) auf ihrer Webseite veröffentlicht. Sie finden Sie unten unter Erschütterungen/Messberichte/ Fildertunnel.
Die Messprotokolle zeigen, dass es sich nicht nur um „subjektive Wahrnehmungen“ der Anwohner handelt, sondern dass der für den Nachtzeitraum relevante Anhaltswert der DIN 4150 Teil 2 von KBFmax= 0,2 für Erschütterungen in Degerloch bei den Sprengungen teilweise überschritten wurde. Im Extremfall um bis zu 280%. Die Anwohner haben sich daher bei diesen nächtlichen Sprengungen zu recht beschwert. Tagsüber wird hingegen der deutlich höhere Anhaltswert der DIN 4150 Teil 2 laut den Messprotokollen nicht erreicht.
Auch wenn das Verwaltungsgericht Stuttgart den Eilantrag einer Untertürkheimer Anwohnerin aus rein formalen Gründen abgelehnt hat. Der Beschluss des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 25.01.2017 geht von einem Planbefolgungsanspruch der Betroffenen aus. Die Bahn hat danach als Vorhabenträger die in den Nebenbestimmungen des Planfeststellungsbescheides auferlegten Anhaltswerte der DIN 4150 Teil 2 beim Sprengvortrieb sicherzustellen.
Wir haben die auf der Webseite veröffentlichten Messprotokolle für Degerloch seit Oktober 2016 angeschaut und die Überschreitungen des für den Nachtzeitraum relevanten Anhaltswerts der DIN 4150 Teil 2 von KBFmax= 0,2 für Erschütterungen sowie die Anmerkungen der PSU über die durchgeführten Sofortmaßnahmen in einer Tabelle zusammengestellt:
Die Messwerte beziehen sich auf das Erdgeschoss bzw. den ersten Stock eines Gebäudes. Im zweiten oder dritten Stock ist mit höheren Erschütterungswerten zu rechnen. Die Anhaltswerte der DIN 4150 Teil 2 gelten als Grenze, ab wann die Erschütterungen für den Menschen nicht mehr zumutbar sind. Doch auch Erschütterungswerte unterhalb der Anhaltswerte nimmt der Mensch wahr.
So argumentierte der Projektleiter des Albabstiegstunnels in der Südwestpresse (hier), warum sie unter dem Ulmer Wohngebiet Kienlesberg nachts weder sprengen noch meißeln: „Der Mensch ist sehr sensibel und merkt die Erschütterungen, lange bevor sie die Werte der DIN-Norm erreichen“, erklärte Kielbassa. Diese Norm muss von den Bauträgern während der Arbeiten eingehalten werden. „Tag und Nacht“, fügte er hinzu.“