Behörden-Odyssee: zum aktuellen Stand der Anzeige durch die Nordlichter wegen Lkws an Sonn- und Feiertagen

Eigentlich ist die Rechtslage klar. Sonn- und Feiertage sind gesetzlich besonders geschützt. Unter anderem dürfen nur Lkws mit Ausnahmegenehmigung durch das Stadtgebiet fahren. Dass dennoch auch an diesen Tagen Lkws für Stuttgart 21 durch das Nordbahnhofviertel mit den engen, zum Teil mit Kopfstein bepflasterten Wohnstraßen donnern, hat die Stadtteil- Initiative Nordlichter seit mehr als zwei Jahren immer wieder in Schreiben an die zuständigen Aufsichtsbehörden beklagt.

Im Juni 2016 war die Geduld der Anwohner des Nordbahnhofviertels erschöpft. Sechzehn Anwohnerinnen und Anwohner des Nordbahnhofviertels stellten eine Anzeige wegen Nichteinhaltung des Sonn- und Feiertagsgesetzes beim Baustellenverkehr für Stuttgart 21 bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart . Die Staatsanwaltschaft sah jedoch kein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegen. Die Anzeige würde sie wegen eines möglichen Verstoßes wegen des Feiertagsgesetzes an die zuständige Behörde, das Amt für öffentliche Ordnung,  weiterleiten. Die Nordlichter hatten gegen diese Entscheidung Ende Juli Einspruch erhoben. In ihrem Einspruch wiesen sie auch auf die Befangenheit des Ordnungsbürgermeisters Dr. Martin Schairer hin, der über seine eigene Anzeige entscheiden müsste.

Jetzt möchten wir sie über den Fortgang des Schriftwechsels der hartnäckigen Nordlichter mit der Staatsanwaltschaft bzw. Generalstaatsanwaltschaft und dem Amt für öffentliche Ordnung der Stadt Stuttgart (AföO) seit August 2016 informieren. Lesen Sie hier den Schriftwechsel dieser „Behörden-Odyssee“ der Nordlichter. Erst nach den beharrlichen Einwendungen der Nordlichter erklärte sich jetzt das Amt für öffentliche Ordnung zumindest bereit, konkret belegten und bezeugten Hinweisen auf Verletzung des Sonn- und Feiertagsfahrverbotes nachzugehen:

  • 5. August: Auch dem Einspruch der Nordlichter gab die Generalstaatsanwaltschaft   „mangels zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für strafbare Handlungen“ keine Folge.  Allerdings musste die Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Antwortschreiben einräumen, dass die Staatsanwaltschaft zu Unrecht einen Ordnungswidrigkeiten-Tatbestand bei Verletzung von § 30 StVO Sonn- und Feiertagsfahrverbot verneint hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat daher die Staatsanwaltschaft gebeten,“das Verfahren auch hinsichtlich eines möglichen Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 und Abs. 3 StVO an die zuständige Verwaltungsbehörde zu übermitteln“.
  • 16. September: Nachdem die Staatsanwaltschaft das von den Nordlichtern angestrengte Ermittlungsverfahren an das dem Ordnungsbürgermeister unterstellte Amt für öffentliche Ordnung weiterleitete, erhielten die Nordlichter von dort ein ebenfalls ablehnendes Schreiben. Das AföO sah eine Befangenheit des Ordnungsbürgermeisters nicht gegeben und verwies darauf, dass das Amt zwar privatrechtlichen Anzeigen nachgehen würden, aber diese meist nicht ausreichende Angaben enthalten würden. Zudem könnten sie aus Datenschutzgründen nicht über den weiteren Fortgang des Verfahrens informieren.
  • 19. Oktober: Die Nordlichter erwiderten in ihrem aktuellen Antwortschreiben, dass nach dem Landesverwaltungsverfahrensgesetz das Regierungspräsidium Stuttgart den Fall an sich ziehen müsste, da Ordnungsbürgermeister Schairer selbst als Behördenleiter Betroffener sei. Auch hätten sie als Erstatter der Anzeige allein schon im Hinblick auf den Rechtsbehelf einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie das von ihnen eingeleitete Verfahren ende. Zudem seien die Verletzungen des Sonn- und Feiertagsverbotes hinreichend mit Aufzeihnungen, Fotos und Zeugenaussagen dokumentiert. Bis heute nicht beantwortet sei, ob die aufgeführten Lkws über eine Sondergenehmigung verfügen. Ebenfalls habe nach Wissen der Nordlichter die Evangelische Kirche keine Ausnahmegenehmigung für das Fahren von Betonmischlastern an Sonn- und Feiertagen durch das Nordbahnhofviertel erteilt. Die Nordlichter schreiben: „Das Tolerieren dieser Verstöße durch Polizei, AföO und Ordnungsbürgermeister Schairer ist unerträglich und deren Verweigerungshaltung gegen die Verstöße tätig zu werden ist sofort von rechtlicher Seite entgegenzuwirken.“
  • 27. Oktober: Ende letzter Woche kam jetzt das Antwortschreiben des Amtes für öffentliche Ordnung, das wir in vollem Wortlaut zitieren: „Vielen Dank für lhr Schreiben vom 19.10.2016. lhre Ausführungen zur Befangenheit von Herrn Bürgermeister Dr.Schairer nach den §§ 20,21 LVwVfG greifen nicht, da das LVwVfG nach §2 Abs. 2 Nr.2 im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht angewendet werden darf. Die Missachtung von Verkehrsverboten an Sonn-und Feiertagen im Nordbahnhofviertel hingegen wird grundsätzlich nicht toleriert. Bitte übersenden Sie zur Einleitung entsprechender Ordnungswidrigkeitenverfahren die von lhnen gefertigten Beweisfotos. Für die benannten Kraftfahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen XX, XX, XX werden zudem noch die genauen Tatörtlichkeiten (Straße und Hausnummer) und Tatzeiten benötigt. Bitte teilen Sie auch mit, wer die Fahrten beobachtet hat bzw. diese bezeugen kann. Bitte geben Sie für die Zeugen eine ladungsfähige Anschrift an. Die Unterlagen senden Sie bitte an die Zentrale Bußgeldstelle, Eberhardstraße 35, 70173 Stuttgart.“

Wir werden über den Fortgang bzw. das Ergebnis des seit einem halben Jahr andauernden Ordnungswidrigkeitenverfahrens berichten. Es ist jedoch ein Armutszeugnis, wie sich die vom mehrjährigen Baulogistikverkehr bei Stuttgart 21 betroffenen Anwohner des Nordbahnhofsviertels um die Überprüfung von möglichen Verstößen mit den zuständigen Behörden streiten müssen. Es entsteht wieder der Eindruck, dass sich die Stadt bei Stuttgart 21 als Projektpartner nicht wirklich für ihre betroffenen Bürger verantwortlich fühlt. Nicht einmal, wenn wie hier beim Sonn- und Feiertagsfahrverbot ausnahmsweise nicht das Eisenbahn-Bundesamt, sondern die Stadt die zuständige Genehmigungs- und Überwachungsbehörde ist. Wir möchten dies zum Anlass nehmen, noch einmal aus dem sehr lesenswerten Kommentar der StZ vom 1.September zu den Staubwolken im Kernerviertel zitieren:

„Ein Projekt wie Stuttgart 21 in einer Großstadt zu verwirklichen, ohne dass es Auswirkungen gäbe – diese Vorstellung ist weltfremd. Doch von dieser Welt sind die Aussagen und die Auflagen aus den Genehmigungen, auf die sich die Anwohner glaubten verlassen zu können, aber jetzt sind sie verlassen. Ohne unabhängige Kontrolle agiert die Bahn, wie ein Bauherr agiert, für den der erfolgreiche Bauablauf an erster Stelle rangiert. Natürlich gibt es Ansprechpartner für die Bürger, aber es fehlen amtliche Mitstreiter, die deren Anliegen kraftvoll vertreten und die der Bahn auch unbequeme, weil Zeit und Geld kostende Maßnahmen abverlangen können. Die von den S-21-Bauarbeiten betroffenen Anwohner sind nicht nur die Dummen, sie werden auch alleingelassen – vom Eisenbahn-Bundesamt und anderen Behörden, die ansonsten auf alles und jedes einen prüfenden Blick werfen. Auch die Stadt macht sich einmal mehr einen schlanken Fuß und hofft offenbar, dass die Staubwolken die Tatenlosigkeit des Rathauses verhüllen.“

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