Staatsanwaltschaft lehnt Strafanzeige der Nordlichter ab. Nordlichter erheben Einspruch

Die Stadtteilgruppe die Nordlichter hatte im Juni eine Strafanzeige wegen Nichteinhaltung des Sonn- und Feiertagsgesetzes beim Baustellenverkehr für Stuttgart 21 gestellt. Die Staatsanwaltschaft hat darauf reagiert. Sie sieht kein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegen. Die Anzeige würde sie wegen eines möglichen Verstoßes wegen des Feiertagsgesetzes an die zuständige Behörde weiterleiten.

Die Nordlichter haben gegen diese Entscheidung Einspruch erhoben. In ihrem Einspruch weisen sie auch auf die Befangenheit des Ordnungsbürgermeisters Dr. Martin Schairer hin, der über seine eigene Anzeige entscheiden müsste.

Nachfolgend finden Sie die Begründung der Staatsanwaltschaft und den Einspruch der Nordlichter.

Hier die Begründung der Staatsanwaltschaft Stuttgart:

Der Anzeige vom 23.06.2016 gegen Verantwortliche der Deutschen Bahn AG und Dr. Martin Schairer wegen Rechtsbeugung u.a. wird keine Folge gegeben (§ 152 Abs.2 StPO).

Gründe:
Die Anzeigeerstatter behaupten Straftaten im Zusammenhang mit dem Bauprojekt
„Stuttgart 21″; nach ihrem Vortrag sollen an Sonn-und Feiertagen immer wieder
Schwertransporter durch das Wohngebiet im Stuttgarter Nordbahnhofsviertel fahren.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den lnhalt der Strafanzeige verwiesen. Konkrete Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten der von den Anzeigeerstatter Beschuldigten lassen sich ihrem Vorbringen bei objektiver Betrachtung und Würdigung nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die an das Legalitätsprinzip gebundene Staatsanwaltschaft kann und darf ein Ermittlungsverfahren nach § 152 Abs.2 StPO jedoch nur bei Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte einleiten.

Der von den Anzeigeerstattern aufgeführte § 30 Abs. 3 StVO stellt keine strafbarkeits-
begründende Norm dar; auch eine Ordnungswidrigkeit ist insoweit nicht begrün-
det, da § 49 StVO den § 30 StVO nicht nennt.

Wegen eines möglichen Verstoßes gegen § 13 Abs.1 Feiertagsgesetz wurden die Akten an die zuständige Stelle zur Prüfung übersandt.“

Die Nordlichter haben gegen diese Ablehnung Einspruch eingelegt:

Hiermit erheben wir in Vertretung der „Gruppe Nordlichter“ und weiterer Betroffener Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 04.07.2016, AZ.: 8 Js 64178/16,

Begründung:

Zur Begründung ihrer Entscheidung führt die StA Stgt aus, dass keine „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte“ für ein strafrechtlich relevantes Verhalten i.S. des § 152 Abs. 2 StPO vorliegen würden.

Offenbar steht diese Auffassung im Zusammenhang mit einem Rechtsirrtum. Sie wird nämlich wie folgt begründet:

Der von den Anzeigeerstattern aufgeführte § 30 Abs. 3 StVO stellt keine strafbarkeits-
begründende Norm dar; auch eine Ordnungswidrigkeit ist insoweit nicht begrün-
det, da § 49 StVO den § 30 StVO nicht nennt.

Gegenstand der Anzeige, soweit es um Ordnungswidrigkeiten geht, waren jedoch folgende Vorwürfe:

Verstoß gegen den Umweltschutz durch Benutzung von Fahrzeugen mit Verursachung unnötigen Lärms (durch Nutzung einer nicht erlaubten Strecke) gemäß § 30 Abs. 1 StVO

Verstoß gegen das Sonntagsfahrverbot gem. § 30 Abs. 3 Satz 1 StVO

Verstoß gegen das Verbot von störenden Arbeiten an Sonn- und Feiertagen gem. § 13 FTG

Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft stellen Verstöße gegen § 30 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 StVO sehr wohl eine Verkehrsordnungswidrigkeit dar und sind mit Geldbußen bedroht, wie nachfolgender Auszug aus der StVO zeigt:

§ 49 Ordnungswidrigkeiten

(1) Ordnungswidrig im Sinne des § 24 des Straßenverkehrsgesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift über:

25. den Umweltschutz nach § 30 Absatz 1 oder 2 oder das Sonn- und Feiertagsfahrverbot nach § 30 Absatz 3 Satz 1 oder 2 Nummer 4 Satz 2,

verstößt.

Somit hätte das Verfahren nicht nur wegen des Vorwurfs von Ordnungswidrigkeiten nach dem FTG, sondern auch wegen des Vorwurfs von Verkehrsordnungswidrigkeiten an die zuständige Bußgeldbehörde abgegeben werden müssen, sofern die Staatsanwaltschaft die Ordnungswidrigkeitsvorwürfe nicht selbst bearbeiten will.

Hinzu tritt die Frage der Befangenheit des für die Bußgeldstelle der Stadt Stuttgart zuständigen Ordnungsbürgermeisters Dr. Martin Schairer. Dieser wurde selbst angezeigt. Es ist deshalb mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar, ausgerechnet die ihm unterstellte Behörde mit den Ermittlungen gegen den Angezeigten zu beauftragen. Die Einstellungsverfügung nennt ausdrücklich Dr. Martin Schairer als Betroffenen, der für das AfÖO verantwortlich zeichnet. Zur Befangenheit des AfÖO und BM Schairer wird auf die Begründung der Zuständigkeit des StA Stgt in der Anzeige Bezug genommen. BM Schairer bzw. sein Amt müsste gegen ihn und er gegen sich selbst ermitteln und zu einem bußgeldbewehrten Verstoß kommen.

Zur Frage der Rechtsbeugung: Der Beschuldigte Dr. Schairer ist als Ordnungsbürgermeister und Verantwortlicher für die bei Verstößen zuständige Bußgeldbehörde ein „anderer Amtsträger“ i. S. d. § 339 StGB. Wenn er bei der Leitung einer Rechtssache, wozu zweifellos die unter seiner Verantwortung geführten Bußgeldverfahren zählen, unter Verstoß gegen Recht und Gesetz in Kenntnis, dass Bußgelder gegen die Verantwortlichen hätten festgesetzt werden müssen, rechtswidrig für die Nichtahndung solcher Verstöße sorgte, hat er sich entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft strafbar gemacht.

Es wird daher beantragt, die Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 04.07.2016, AZ.: 8 Js 64178/16, aufzuheben und die Ermittlungen durchzuführen, hilfsweise das Verfahren auch hinsichtlich der Verkehrsordnungswidrigkeiten an eine nicht befangene Bußgeldbehörde abzugeben.

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