Angemessene Entschädigung und Haftung für Bauschäden

Ulrich Hangleiter, Sprecher des Netzwerks Killesberg und Umgebung e.V.,  forderte auf der Montagsdemo am 26. August 2013 von der Bahn eine angemessene Entschädigung für die Inanspruchnahme der Grundstücke d. h für die Gestattung der Unterfahrung. Auch muss die Bahn für alle Schäden aufkommen, die durch den Bau und den Betrieb der Tunnels entstehen. Lesen Sie dazu auch die Empfehlungen der Netzwerke für den Abschluss der Gestattungsverträge.

Uli Hangleiter: Enteignungen

Rede auf der Montagsdemo am Montag, 26.8.2013

Liebe Freundinnen und  Freunde,

der Widerstand gegen Stuttgart 21 hat viele Facetten. Auf den Montagsdemos hören wir immer wieder von neuen. Von mir hört ihr heute etwas übers Betroffen-Sein als Grundstückeigentümer, der von einem der Tunnel unterfahren wird. Von einem, der sich als Konsequenz aus der Untertunnelung mit Teilenteignung konfrontiert sieht, dem die Bahn Vermögen klaut. Zum „Wohle der Allgemeinheit“, wie es heißt. Spätestens da kann man zum Gegner dieses Projektes werden.

Aber keine Sorge: Meine Gegnerschaft ist schon älter als 15 Jahre, und ich war einer der ersten Unterstützer von K21. Als Anno 2007 händeringend ein neuer Namen für S21 gesucht wurde, habe ich dazu auf der Seite der K21-Unterstützer einen tollen Vorschlag  gemacht. Leider kam dieser Hohnvorschlag bei den Verantwortlichen nicht an: Mein „Unten durch 21“, das die Akzeptanz in der Bevölkerung mit beschreiben sollte, setzte sich gegen das „Herz Europas“ nicht durch.

Wenn ich heute als Vertreter der Netzwerke Stuttgart zu Euch spreche, so tue ich dies als einer der vielen hundert von der Untertunnelung betroffenen Grundstückseigentümer und Anwohner, die sich zu Netzwerken zusammengeschlossen haben: Kernerviertel, Killesberg, Gablenberg, Untertürkheim, Wangen. Ja, die Bahn will bei uns unten durch und dazu braucht sie unsere schriftliche Einwilligung. Und wir, die Eigentümer, sagen laut und vernehmbar: „Wir unterschreiben nicht“.

Dieses „Nein“ haben auch einige Eigentümer innerhalb der Netzwerke gesprochen, die sich mit Stuttgart 21 arrangiert haben. Sie sind mit den 97% S21-Gegner in den Netzwerken einig, dass sie sich von der Bahn nicht auf der Nase bzw. auf ihrem Grundstück oder ihrer Eigentumswohnung herum tanzen lassen wollen.

Worum geht es? Ganz sicher nicht darum, dass Herr Grube und Herr Kefer auf unseren Grundstücken tanzen wollen. Solches würde nicht einmal das Allgemeine Eisenbahngesetz erlauben. Was dieses Gesetz auf Grund eines Plan­fest­stel­lungs­be­schlus­ses aber erlaubt, ist die Nutzung des Grundstücks, das uns ja bis zum Erdmittelpunkt gehört, Nutzung in Form der Unterfahrung mit einem Tunnel, einem Stück von diesen 60 km Tunnel unter unserer Stadt. Und dieses Nutzungsrecht wird als Dienstbarkeit ins Grundbuch eingetragen. Was soviel heißt wie: die Bahn ist Miteigentümer.

Das Bemerkenswerte dabei ist, dass mit dem Plan­fest­stel­lungs­be­schlus­s eine Veränderungssperre gilt. D.h., dass Verfügungen über ein Grundstück oder erhebliche Veränderungen der Erdoberfläche oder wesentliche wertsteigernde sonstige Veränderungen ohne Genehmigung der Enteignungsbehörde nicht vorgenommen werden dürfen. (Dies war eine Formulierung aus dem Enteignungsgesetz). Ja, wir reden von Enteignung.

Wenn wir den Vertrag, nach dem wir der Bahn die Unterfahrung gestatten sollen, nicht unterschreiben, hat dies vor allem zwei Gründe:
1. Dass die Ent­schä­di­gung, die die Bahn anbietet, unangemessen und geradezu lächerlich ist. Sie ist meilenweit von dem entfernt, was die Wertminderung durch die Verschmutzung des Grundbuchs ausmacht.
2. Dass die Bahn keine Haftungsgarantien im Falle von Schäden an unserem Eigentum (Wohnung, Haus, Grundstück) geben will.
Dieser zweite Grund ist eindeutig wichtiger, steht absolut im Vordergrund: Schadensrisiken, die auf Grund von Unsicherheit des Baugrunds als Folge der Untertunnelung bestehen, müssen abgesichert sein. Klare Ansage: Hier muss die Bahn haften. Und: sie muss dort Bauwerk sichernde Maßnahmen vornehmen, wo sie im Vorfeld in ihren eigenen Stellungnahmen kritische Verhältnisse ausgemacht hat. Dass, das gemacht werden kann, zeigen die Vereinbarungen zwischen der LBBW und Daimler; dort werden im Vorfeld diese Maßnahmen ergriffen.

Faktisch sind wir mit Bestand des Planfeststellungsbeschlusses nicht mehr alleiniger Herr über unser Eigentum. Richtig deutlich werden die Konsequenzen der Unterfahrung mit der förmlichen Enteignung. Wie geht das?

Das Verfahren der Enteignung geht so: Wenn zwi­schen dem Be­trof­fe­nen (also z.B. mir) und dem Trä­ger des Vor­ha­bens (also der Bahn) keine Ei­ni­gung zu­stan­de kommt, stellt die Bahn den Antrag auf Enteignung, und – damit sie bauen kann – auch auf vorzeitige Besitzeinweisung bevor das Enteignungsverfahren abgeschlossen ist. Die für den Antrag zu­stän­di­ge Be­hör­de ist das Regierungspräsidium: nach einer Anhörung und einer öffentlichen Bekanntmachung lädt sie zur mündlichen Verhandlung, die nicht öffentlich ist. Dazu sei wieder aus dem LEntG zitiert:

Die Enteignungsbehörde (also das RP) hat (dabei) auf eine Einigung zwischen den Beteiligten hinzuwirken. Und weiter: Soweit eine Einigung nicht zustande kommt, entscheidet die Enteignungsbehörde über den Enteignungsantrag und die erhobenen Einwendungen.
Ob Bahn- oder SSB-Tunnel: wir haben diese Phase gerade erreicht. Die ersten Betroffenen werden zum RP geladen: mündliche Verhandlung.

Das Verfahren der vorzeitigen Besitzeinweisung: Die Enteignungsbehörde kann die Bahn, die einen Enteignungsantrag gestellt hat, soweit „die sofortige Ausführung des Vorhabens aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit dringend geboten ist“, in den Besitz einweisen. Die Bahn wird Mitbesitzer.

Lt. §38 des LEntG darf der Eingewiesene – also die Bahn – auf dem Grundstück das in dem Enteignungsantrag bezeichnete Vorhaben ausführen und die dafür erforderlichen Maßnahmen treffen.

So einfach geht das: Das nicht nachvollziehbare „Wohl der Allgemeinheit“ nimmt uns Teile unseres Eigentums. Das ist das Empörende an diesem Projekt. Wenn dieses Projekt doch irgendeinen Sinn gäbe, würde man dieses Allgemeinwohl respektieren.

Das Schlimmste dabei ist doch: die Risiken, die wir Grundstückeigentümer tragen, sind deshalb so groß, weil die Bahn Tag für Tag beweist, dass sie es nicht kann: Miese Planung, schlechtes Gesamtmanagement, unzuverlässige Gutachten, untaugliches Grundwassermanagement, unbrauchbares Brandschutzkonzept, ignoranter Umgang mit den Erfahrungen von Staufen und mit Turmgründungen, billige Lösungen – vor allem für die Tunnels – und das alles mit der Perspektive einer horrend teuren Schlussrechnung. Für diesen Murks sollen wir bluten. Doppelt: Am Ende auch wieder als Steuerzahler.

Drum kann es nur heißen: OBEN BLEIBEN!

Und: Es kann nur heißen: bei der Bundestagswahl ein Signal setzen und die richtigen Leute wählen: die Kandidaten der Netzwerke, die sich klar gegen Stuttgart 21 positioniert haben: Dr. Carola Eckstein und Frank Schweizer, die als Einzelbewerber zur Wahl antreten. Gebt diesen beiden Eure Erststimme. Mit der Zweitstimme habt ihr daneben alle Freiheiten.

Danke! Und noch einmal: OBEN BLEIBEN!

 

 

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