Der Sachverständige der Bahn wird morgen im Umwelt- und Technikausschuss der Stadt Stuttgart das neue Brandschutzkonzept vorstellen. Bereits heute hat die Projektgesellschaft dazu eine Pressemitteilung zum neuen Entrauchungsmanagement herausgegeben. Dieses neue Konzept sieht vor, dass die die Bahnsteige einengenden Fluchtreppenhäuser des „Tiefbahnhofs“ an die Bahnsteigenden des Nord- und Südkopfes verlegt werden. Über starke Gebläse an den Entrauchungs-/Schwallbauwerken soll der Rauch Richtung der Lichtaugen gepresst werde und dann über die Lamellen der Lichtaugen nach Außen entweichen. Die beiden Stuttgarter Zeitungen (StZ /StN1 / StN2) berichtet darüber in ihrer morgigen Ausgabe.
Dazu läuft noch beim Eisenbahn-Bundesamt die 15.Planänderung zur geänderten Funktion und räumlichen Dimensionierung des Schwallbauwerks Süd, das auf dem Baufeld 25 an der Sängerstraße in unmittelbarer Nähe der Wohngebäude des historischen Kernerviertels erstellt werden soll. Daher tut sich auf der Baustelle des Baufeldes 25 entgegen der Ankündigungen auf den letzten Anwohnerveranstaltungen nicht viel.
Die aktuelle Planung sieht vor, dass dieses Bauwerk nicht mehr zur aktiven Belüftung, sondern ausschließlich zur Entschwallung und Entrauchung des Tiefbahnhofs und der Tunnelbauwerke dienen soll. Entschwallung bedeutet, dass der Luftschwall der einfahrenden Züge über dieses Bauwerk entweichen soll. Für das neuen Brandschutzkonzept sind jetzt statt der zehn Ventilatoren vier Hochleistungs-Axialgebläse vorgesehen, die im Brandfall sowie bei regelmäßigem Test- und Wartungsbetrieb eingesetzt werden sollen. Ein Vollbetrieb ist im Brandfall und mindestens einmal im Jahr bei Wartungsarbeiten erforderlich. Weitere regelmäßige Wartungsarbeiten sollen unter Teillast mit reduzierter Schallleistung erfolgen. Die Fraktionsgemeinschaft im Gemeinderat SÖS-Linke-Plus hat zu den geänderten Plänen am Schwallbauwerk Süd einen Antrag gestellt.
Auch das Netzwerk Kernerviertel hat die Planänderungsunterlagen einschließlich der schalltechnischen Stellungnahme des Gutachterbüros Fritz GmbH ausgewertet und sich jetzt in einem Schreiben an das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) gewandt. Es geht um die unzureichende Abklärung der mit dem geänderten Funktion und Aufbau des Bauwerks verbundenen Lärmbelastungen für das Kernerviertel. Notwendige Nachweise über den zu erwartenden Lärm oder die Wirksamkeit der Lärmminderungsmaßnahmen sind in der schalltechnischen Stellungnahme nicht enthalten. So kritisiert das Netzwerk u.a. folgende Punkte:
- Die beantragten vier Hochleistungs-Gebläse haben eine Gesamtschallleistung im Vollbetrieb ohne Schalldämpfer von 139 dB(A) und sind daher mit dem Düsentriebwerk eines Flugzeugs vergleichbar. Schalldämpfer sollen die Schallleistung um 25 dB(A) senken. Allerdings enthält die schalltechnische Stellungnahme des Gutachters weder nähere Angaben zu den Schalldämpfern bzw. der baulichen Anordnung noch Berechnungen. Es ist fraglich, ob angesichts der großen Querschnitte des Schwallbauwerks die angenommene Dämpfwirkung erzielt werden kann.
- Die schalltechnische Stellungnahme enthält keine Berechnungen, sondern nur Annahmen und Abschätzungen, z.B. über die Abnahme des Schallpegels im Bauwerk durch Reflektionen und Umlenkungen. Bei den geplanten großen Querschnitten kommt es zur Durchstrahlung und der Pegel nimmt nicht im angenommenen Maße ab. Es wird also lauter. Auch nicht berücksichtigt wurde das Strömungsrauschen des sicherlich erforderlichen Vogelschutz- oder Wetterschutzgitters.
- Es wurde auch keine Untersuchung der Vorbelastung durch andere Anlagen in der Umgebung berücksichtigt. Die Immissionsrichtwerte müssen nach der TA-Lärm jedoch unter Berücksichtigung aller Quellen eingehalten werden.
- Es fehlen auch rechnerische Nachweise über die Dauerlärmbelastung, die mit den 2 x 100 qm großen Öffnungen des räumlich geänderten Schwallbauwerks verbunden sind. Der Lärm des Tiefbahnhofsbetriebes wird jetzt nach Wegfalls der Dauerbelüftung aus den den 2 x 100 qm großen Öffnungen des Schwallbauwerks dringen.
Die Kritikpunkte des Netzwerks Kernerviertel sind auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass zahlreiche Lärmprognosen für Stuttgart 21 des langjährigen Gutachterbüros Fritz GmbH sich als zu niedrig angesetzt erwiesen hatten. Der Vorstand der Projektbau Stuttgart-Ulm GmbH (PSU) musste schließlich am 30. Juni 2015 vor dem Umwelt- und Technikausschuss des Gemeinderates schwere Defizite bei den Lärmprognosen einräumen.
Dies darf sich nicht wiederholen. Vor allem nicht bei einem Bauwerk, dass dauerhaft nach Fertigstellung von Stuttgart 21 in unmittelbarer Nähe eines Wohngebiets in Betrieb gehen soll und an dem nachträglich Korrekturen nicht mehr bzw. nur mit ganz erheblichem Aufwand machbar sind. Das Schwallbauwerk darf nicht zu einer Verlärmung des dicht besiedelten Stadtviertels führen. Das Netzwerk Kernerviertel erwartet vom EBA als Genehmigungsbehörde, dass die Bahn die erforderlichen Nachweise für die Lärmberechnung und -minderung beim Betrieb des Schwallbauwerks Süd nachreichen muss und das EBA als Aufsichtsbehörde auf die Einhaltung der immissionsrechtlichen Vorgaben der TA-Lärm besteht.