Ursprünglich sah das Logistikkonzept der Bahn vor, dass ein Großteils des für den Bau des Tiefbahnhofs und der 59 Kilometer Bahntunnel anfallenden Aushubs per Bahn nach Sachsen-Anhalt transportiert und eingelagert werden sollte. Doch aus Kostengründen wurde das Logistikkonzept geändert. Ein Großteil der 20 Millionen Tonnen Aushub, d.h. 78 %, sollen nun in Baden-Württemberg deponiert werden. Über das geänderte Transport- und Deponiekonzept der Bahn berichtete die StZ im August letzten Jahres (hier) ausführlich:
“…Die ursprünglichen Pläne der Bahn sahen vor, das Material vor allem im sächsischen Braunkohletagebau endzulagern. Bei der Schlichtung Ende 2010 kündigte Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer dann an, es kämen nun vor allem Deponien in Baden-Württemberg zum Zug. Die Erddeponien und für eine Verfüllung geeigneten Steinbrüche in der Region und im Land wittern seither das große Geschäft mit dem Bauschutt. Das treibt die Preise nach oben und belastet den mittlerweile ohnehin auf bis zu 6,8 Milliarden Euro angestiegenen Projektetat. Zugleich müssen die Deponien im Großraum Stuttgart Reserven für das Entsorgungsmaterial aus den eigenen Landkreisen vorhalten – die Kapazitäten sind also begrenzt…“.
Das aktuelle Logistikkonzept der Bahn finden Sie hier. Die Bahn wird dabei vermutlich weniger auf die Befindlichkeiten der betroffenen Stuttgarter Bürger sowie die des Umlands schauen, als auf eine Begrenzung der steigenden Transport- und Deponiekosten. Allein in der internen Risikenliste der Bahn von 2011 wurden dafür 130 Millionen Euro Mehrkosten ausgewiesen. Und die Deponiekosten werden sich sicherlich noch weiter verteuern. Daher sucht die Bahn insbesondere Steinbrüche, bei denen die Betreiber eine wirtschaftliches Interesse an der Auffüllung haben. Nach dem Motto „Bodenaushub ist mehr als Abfall„. Wir hatten bereits über die Anwohner der Gemeinde Trichtingen berichtet, die unter den ersten Lkw-Tranporten für Stuttgart 21 leiden.
Jetzt macht die Gemeinde Talheim mit rund 2.600 Einwohnern, ein Teilort von Horb am Neckar, von sich reden. Hier sollen 1,8 Millionen Tonnen Tunnelaushub aus dem 60 Kilometer entfernten Stuttgart in den bereits seit Jahren renaturierten Steinbruch deponiert werden.
Doch gegen die geplanten Transporte (60 pro Tag), die 5 Jahre täglich aller 4-6 Minuten durch den engen Ortskern des tief eingeschnittenen Tals donnern würden, wächst Widerstand. In kürzester Zeit hat sich eine Bürgerinitiative namens „Talheim 21“ gegründet und mit Aktionen und einer eigenen Webseite auf sich aufmerksam gemacht. Sowohl der Schwarzwälder Bote (26.09.2014 /25.09.2014 /22.09.2014 / 05.08.2014), Kontext (17.9.2014) als auch der SWR (Beitrag „Zur Sache Baden-Württemberg“) berichteten ausführlich über den Unmut und den Widerstand der Talheimer. Die Bürgerinitiative, die über 1900 Unterschriften gesammelt hat, will mit allen Mitteln „Talheim 21“ verhindern. Die Talheimer wehren sich weniger gegen Stuttgart 21 als gegen die Planungen, dass der „Stuttgarter Dreck“ bei Ihnen abgeladen werden soll. Bei der Volksabstimmung waren noch über 80% gegen den Ausstieg beim Bahnprojekt Stuttgart 21. Doch die Stimmung hat sich – möglicherweise weniger mit der Auseinandersetzung mit dem umstrittenen Bahnprojekt als – mit der Erkenntnis der eigenen Betroffenheit gedreht.
Angesichts der für Baden-Württemberg allein durch Stuttgart 21 vorgesehenen Aushubmengen von ca. 15,6 Millionen Tonnen wird Talheim sicherlich nicht der einzige Ort im „Ländle“ sein, in dem die betroffenen Bürger gegen die jahrelangen Belastungen durch die „Blechlawinen“ der Aushubfahrten protestieren werden. Nicht immer können die Aushubtransporte ausschließlich per Bahn zu den Deponien transportiert werden, wie beispielsweise die vorgesehenen 1,5 Millionen Tonnen nach Dreißlingen / Kreis Rottweil. Für die Neubaustrecke fallen nochmals weitere 20 Millionen Tonnen Aushub an. Doch von den jahrelangen Belastungen, die Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Richtung Ulm für das Umland bringen wird, war vor der Volksabstimmung nicht die Rede. Auch in diesem Punkt wurden die Bürger vor der Abstimmung nicht über die Sachlage informiert.