Wie wir bereits berichtet haben, wurden alle Einwände und Forderungen der betroffenen Anwohner und Eigentümer in dem Planänderungsverfahren zum Grundwasser-management weder vom Regierungspräsidium noch vom Eisenbahn-Bundesamt berücksichtigt. Ein Beispiel sind die trotz aller Einwendungen bis heute den betroffenen Anwohnern vorenthaltenen Daten der Hangstabiltätsmessungen durch die Bahn.
Diese Hangstabilitätsmessungen waren nicht Bestandteil der im Sommer 2012 ausgelegten Unterlagen zum Planänderungsverfahren Grundwassermanagement. Sie betreffen zwar in erster Linie die Hang- und Gebäudesicherheit bei der Untertunnelung, sind jedoch auch beim Grundwassermanagement von Relevanz. Erst in einem Video, das die Bahn Ende September 2012 ins Internet stellte, verwies der Bahn-Gutachter für den Tunnelbau auf die laufenden Messungen. Daher forderten viele Betroffene in ihren Einwendungen zum Grundwassermanagement die Veröffentlichung dieser Messdaten, wie z.B. auch die Anwohner des Kernerviertels. Hier ein Auszug aus einer damaligen Einwendung:
„In den ausgelegten Unterlagen zum 7. Planänderungsverfahren sind keine Untersuchungen für eine Beurteilung der Hangstabilität des Ameisenbergs enthalten. Dies ist ein erhebliches Versäumnis, da nach dem Landesamt für Geologie und Rohstoffe BW die Gesteine des Gipskeupers stark zu Hangrutschungen neigen. Dieses Risiko kann durch menschliche Eingriffe und künstliche Wasserzufuhr deutlich erhöht werden. Prof. Wittke erwähnt zwar in seinem Vortrag zur DB:Informationsveranstaltung über die 7.Planänderung, dass sogenannte Trivec-Untersuchungen zur Hangstabilität durchgeführt wurden ( Zitat YouTube-Video ab Minute 17:20):
„…Wir haben in der Vergangenheit auf den Hängen Stuttgarts, in den Bereichen, in denen wir eine Neigung zu Rutschungen vermuteten, Messungen durchgeführt über Jahre -schon sehr lange zurückliegend begonnen damit – Trivec- Messungen. Das sind Messungen mit drei Komponenten, Verschiebungen vertikal und in zwei Richtungen horizontal und haben festgestellt, dass sich nichts bewegt.“
Bei dem Trivec handelt es sich um ein Sonden-Messgerät, das schon geringste Erdverschiebungen erfassen soll. Damit könnten schon vor Baubeginn der Tunnelbauarbeiten genaue Aussagen darüber gemacht werden, welche Auswirkungen die Bauarbeiten auf das Gebäude haben werden. Diese Untersuchungsergebnisse (konkrete Messorte, Zeitraum, Ergebnisse) sind jedoch weder in seiner gutachterlichen Stellungnahme zur Hangstabilität zitiert, noch den Planänderungsunterlagen beigefügt. Diese müssen den betroffenen Eigentümern und Anwohnern im Zuge des 7. Planänderungsverfahrens zwingend zugänglich gemacht werden.“
Auch das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, das die ausgelegten Bahnunterlagen im Hinblick auf die Gebäudesicherheit nicht ausreichend befand, empfahl auf Seite 3 seiner Stellungnahme vom 22.10.2012 : „Die im Nahbereich der Tunnelbaumaßnahmen Stuttgart 21 bekannten Rutschungen (insbesondere jene im Bereich der Urbanstraße) sind durch zahlreiche Bohrungen näher erkundet. Nach Kenntnis des LGRB wurden auch Inklinometermessungen zur Beobachtung etwaiger Kriechbewegungen durchgeführt. Es ist zielführend, diese Erkundungs- und Messergebnisse in der geotechnischen Stellungnahme aufzuarbeiten und in Bezug zur geplanten Tunnelbaumaßnahme darzustellen.“
Doch trotz dieser ausdrücklichen Empfehlung der Fachbehörde enthielt die von der Bahn nachgereichte geotechnischen Stellungnahme keinerlei Messdaten über die Stabilität der von der Untertunnelung betroffenen Hängen. Auch die auf den Erörterungen mehrfach vorgetragenen Forderungen der Vertreter der Netzwerke Kernerviertel und Killesberg nach Veröffentlichung der Messpunkte und -ergebnisse „fanden kein Gehör“.
Am letzten Erörterungtag wies der Geologe Dr. Ralf Laternser als BUND- Sachverständiger in seinem Vortrag darauf hin, dass für den am geologisch kritischen Ameisenberg liegende Kernerviertel nur ein einziger Messpunkt existiere. Dieser Messpunkt läge auch noch nicht am Hang selbst, sondern auf Anhöhe der Gerokstraße und sei daher für die Einschätzung der Hangstabilität nicht geeignet. Ein Bahnvertreter bestätigte auf Nachfrage in der Erörterung, dass die Messtation für das Kernerviertel sich tatsächlich nur an diesem Punkt befindet: „Ich habe aber im Kern keinen Zweifel daran, dass Einwender Nr. xxx sie in die richtige Gegend versetzt hat.“
Daher forderte der BUND-Sachverständige zur Abklärung der Hangstablität und der Gebäudesicherheit die Messstandards, die die Bahn im Zuge des Katzenbergtunnelbaus anwendete. Auch andere betroffener Einwender verwiesen an diesem letzten Erörterungstag auf die mangelnde Sorgfaltspflicht der Bahn, sich bei der Unterfahrung eines dicht besiedelten Hangs auf nur einen Messpunkt zu verlassen, der zu dem nicht repräsentativ sei.
Doch zu welchem Schluss kam dann das Regierungspräsidium in seinem Anhörungs-bericht vom 25.02.2014 auf Seite 91: „Zum Einwand, es seien unzureichend Messungen vorgenommen worden, ist insbesondere auch auf den Erörterungstermin hinzuweisen, in dem der Gutachter der Vorhabenträgerin nachvollziehbar erläutert hat, dass die einschlägigen TRIVEC-Messungen durchgeführt wurden und auch ausreichend für die Beurteilung der durch die Baumaßnahme bedingten Auswirkungen sind“.
Und das Eisenbahn-Bundesamt übernahm diese Passage aus dem Anhörungsbericht des Regierungspräsidium nahezu wortwörtlich in seinem Bescheid vom 22.09.2014 auf Seite 80:„Auch wurden, anders als verschiedentlich eingewandt, in ausreichendem Umfang
Messungen vorgenommen. Die Anhörungsbehörde hat in ihrem abschließenden Be-
richt insbesondere auf die Ausführungen des Gutachters der Vorhabenträgerin im
Erörterungstermin verwiesen, der nachvollziehbar erläutert hat, dass die einschlägi-
gen TRIVEC-Messungen durchgeführt wurden und auch ausreichend für die Beur-
teilung der durch die Baumaßnahme bedingten Auswirkungen sind. Die Planfeststel-
lungsbehörde schließt sich dieser Einschätzung an.“
Eine Auswertung der Erörterungs-Protokolle – die leider trotz Anonymisierung nicht veröffentlicht werden dürfen- zeigt jedoch, dass die Bahn-Vertreter dies mitnichten für das Kernerviertel näher erläutert hatten. Weder die Aussagekraft eines einzigen und zudem noch oberhalb des eigentlichen Hangs gelegenen Messpunktes wurde von den Fachleuten der Bahn auf der Erörterung erklärt, noch die Messdaten dieses Messpunkts in einer Folie präsentiert.
Diese Vorgehensweise der im Planänderungsverfahren involivierten Behörden zeigt beispielhaft, wie berechtigte Nachfragen und Forderungen der betroffenen Anwohner einfach ignoriert wurden. Die Bahn musste in diesem Fall nicht einmal auf die Einwendungen entgegnen bzw. ihre Einschätzung näher erläutern. Dennoch erhielt die Vorhabensträgerin die uneingeschränkte Freigabe ihres Planänderungsantrages. Daher kann man bedauerlicherweise nicht umhin, den Erörterungen den Charakter einer Schauveranstaltung für lästig nachfragende Bürger zu unterstellen. Denn eine ernsthafte Bürgeranhörung und -beteiligung sieht anders aus !