Infobündnis Zukunft Schiene – Obere Neckarvororte: Durchgewunken!

Über die Genehmigung der 9. Planänderung im PFA 1.6a zum Wegfall des Einschubbauwerks in Obertürkheim haben wir am 27.Juli kurz berichtet.Jetzt analysiert ein Gastbeitrag des des Infobündnis Zukunft Schiene diese Planänderung:

Das Bemerkenswerte an der am 3. Juli 2017 vom Eisenbahnbundesamt (EBA) genehmigten 9. Pländerung zum Wegfall des Einschubbauwerks ist nicht die Tatsache der Genehmigung an sich, sondern das vollständige Abschmettern aller Bedenken, Anregungen und Forderungen.

Nicht nur die umfangreichen Einwendungen des Landesnaturschutzverbands Baden-Württemberg e.V. (LNV) wurden weggewischt, sondern auch die Forderung des Regierungspräsidiums (RP) Stuttgart nach einer Darstellung der Auswirkungen der Planänderung auf das Entrauchungskonzept, ebenso wie die Kritik der Höheren Naturschutzbehörde (RP Stuttgart) und die Forderungen des Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) (RP Freiburg) wegen sekundärem Luftschall.

Die planfestgestellte Spundwand in und am Uhlbach (Neckarersatzbach) wurde um mehr als die Hälfte auf nunmehr 639 Meter verlängert. Laut Planänderungsbescheid ist der Vorhabenträger verpflichtet, die Spundwand nach Ende der Baumaßnahme wieder zu entfernen (S. 15). Indes gab es bei der Rettungszufahrt Untertürkheim eines Tages nahezu unbemerkt eine 4. Planänderung, die u.a. das dauerhafte Belassen einiger Spundwände nachträglich erlaubte.

In dem in Rede stehenden Bereich gibt es „hochdurchlässige Neckarkiese“ (S. 15), „gebräche Gebirgsverhältnisse“ (S. 54, vulgo: „bröseliger Untergrund“, hat ebenso gute Chancen zum Unwort des Jahres wie die „fossilen Rutschmassen“ – ) und  –  Gashochdruckleitungen (S. 23)!

Wie tröstlich, dass „die Vorhabenträgerin“ auf S. 24 zusagt, „Arbeiten am Bestandsnetz grundsätzlich nur außerhalb der Heizperiode durchzuführen“. Jedoch – die Termintreue der Bahn ist bekannt – folgt die Einschränkung auf dem Fuße: „Im Einzelfall kann der Einsatz von Provisorien geprüft werden.

Im Planänderungsbescheid ist für die städtischen Abwasseranlagen eine Beweissicherung „vor Baubeginn und nach Bauende“ vorgesehen, wobei ausdrücklich in Klammern „bzw. nach Abklingen möglicher Setzungen“ hinzugefügt ist (S. 20): Was man den von S21 betroffenen Grundstückseigentümern nicht zugesteht, dass es nämlich eine zeitliche Differenz zwischen dem Ende der Baumaßnahmen und dem Abklingen möglicher Setzungen geben kann, wird hier explizit als Möglichkeit erwähnt!

Interessant ist auch noch ein Satz auf Seite 56: „Die vorhabenbedingte Beeinträchtigung von Eigentums- und Nutzungsrechten ist durch den Vorhabenträger zu entschädigen.“
Davon können die bislang von S21 betroffenen Grundstückseigentümer nur träumen!

Die mehrfach geforderte nasse, d.h. Wasser führende Löschleitung wird mit der üblichen Argumentation weggewischt, dass sie „zwar durchaus geeignet wäre, die Sicherheit weiter zu erhöhen und das Risiko für Personenschäden zu reduzieren„, dass „eine solche Leitung“ (…) aber nicht verlangt werden kann, weil die EBA-Richtlinie halt nur trockene Leitungen vorsieht (s. 39/40).

Immer wieder bezeichnet das EBA die Planunterlagen als sachgerecht und nachvollziehbar, muss auf S. 48 aber einräumen, dass „die Sicherheitsdrainagen (…) in den Anhörungsunterlagen allerdings (…) falsch bemaßt“ waren.

Unklares wird stets auf die spätere „Ausführungsplanung“ und „Abstimmung mit den Behörden“ oder gar „Unternehmensinterne Genehmigungen“ verschoben. Es fällt auf, dass das EBA vom Vorhabenträger keine Ausnahmen zugunsten einer höheren Sicherheit verlangt, zahlreiche Ausnahmen, die die Sicherheit reduzieren, sind aber mit den o.g. abenteuerlichen „Unternehmensinternen Genehmigungen“ ohne Weiteres möglich: Wo’s klemmt, genehmigt sich die Bahn die Ausnahmen der Einfachheit halber selbst!

Unternehmensinterne Genehmigungen“ sollen ausreichen für:

  • „Sonderlösung Entwässerungsschächte (…) auf Grund der örtlich beengten Verhältnisse“
  • „Optimierter Tunnelquerschnitt (…) aufgrund der Verlängerung des bergmännischen Abschnitts“
  • „Bauzeitliche Sonderlösung für Abstände und Leitungslängsführungen (…) wegen zwingender örtlicher Verhältnisse“
  • „Einsatz von GFK-Ortsbrustankern für die Sicherung (…) in gebrächen Gebirgsverhältnissen“
  • „Einsatz des Düsenstrahlverfahrens (Hochdruckinjektion) (…) zur statischen Sicherung des Vortriebs und zur Abdichtung (…) hinsichtlich des Grundwasserandrangs“

Das Bonmot von den Schnecken, die auf den Salat aufpassen, kommt einem wieder in den Sinn. (Eventuelle Parallelen zur jahrelangen Praxis des Kraftfahrt-Bundesamtes sind rein zufällig.)

Noch während Interessierte sich über die 9.Planänderung – 10 Jahre nach dem Planfeststellungsbeschluss am 16.05.2007(!) – wundern, hat das EBA am 26.07.2017 inzwischen auch die 12. Planänderung im PFA 1.6a – durchgewunken. Bisherige Planänderungen im PFA 1.6a sind :

  • 1.Planänderung: wurde laut Auskunft EBA vom Vorhabenträger wieder zurückgezogen, Gegenstand unbekannt
  • 2.Pländerung, 22.09.2014: Wasserrecht (gleichzeitig 7. PÄ im PFA 1.1, 6. PÄ im PFA 1.5), ergänzender Bescheid 30.04.2015
  • 3.Planänderung, 05.05.2014: Eidechsen (Umsiedlung und Zwischenhälterung)
  • 4.Planänderung 03.06.2014: RZF Benzstraße, Vergrößerung der Abmessungen der Rettungszufahrt Benzstraße sowie dauerhafter Verbleib von Spundwänden im Untergrund
  • 5.Planänderung, 27.04.2015: Tieferlegung Gradiente
  • 6.Planänderung, eingereicht am 17.12.2014 zusammen mit den Planfeststellungsunterlagen für den immer noch nicht planfestgestellten PFA 1.6b (Wartungs- und Abstellbahnhof Untertürkheim), zurückgezogen am 06.02.2015.
    Pläne für einen erneuten Versuch, den Abstellbahnhof genehmigt zu bekommen, hat die Bahn laut eigener Verlautbarung am 07.04.2017 eingereicht.
  • 7.Planänderung, 02.09.2016: Anpassung Verbindungsbauwerk (Abspaltung der Entscheidung über den Verzicht Verbindungsbauwerk, 9.PÄ)
  • 8.Planänderung, 08.08.2016: Änderung der Bauwerksgeometrie von Technikräumen im Bereich von 6 Verbindungsbauwerken (Vergrößerung von Innendurchmesser und Tiefe, teilweise Veränderung der Höhenlage)
  • 9.Planänderung, 03.07.2017: Verzicht Einschubbauwerk (s.o.)
  • 10.Planänderung, 24.07.2017: Zusätzliche Ersatzhabitate für Eidechsen
  • 11.Planänderung, 04.05.2017: Verschub Anschlagwand Untertürkheim
  • 12.Planänderung, 26.07.2017: Anpassung Interregio Kurve

Fortsetzung folgt.

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