Leserbrief zum Zivilprozess vor dem Landgericht Stuttgart von Dipl.-Ing. Prof. Dr. jur. Uwe Dreiss, Dipl.-Ing. Frank Schweizer (Netzwerk Kernerviertel): Was war denn das?
Für uns als Zuschauer war es überraschend, wie Richter Dr. M. Haas bei der Einführung in die juristische Problematik den Gestattungsvertrag, den die Parteien abgeschlossen hatten, auslegte. Dabei ging es um den Sinn der folgenden Erklärung der Eigentümerinnen: „Mit der Inanspruchnahme der Teilfläche meines Grundstücks zur Durchführung der Bauarbeiten – unter Beachtung des Planfeststellungbeschusses durch die DB Netz AG – für die Errichtung des Bahnknotens S 21 bin ich einverstanden.“
Der hier angesprochene Planfeststellungbeschluss 1.6a enthielt insbesondere auch die Grenzwerte für die Lärmimmissionen, deren Einhaltung die Klägerinnen erreichen wollten. In einer vornehmlich an die Adresse der beklagten Bahn gerichteten ca. einstündigen Erläuterung kam Richter Dr. Haas nun zu dem Ergebnis, dass die vertragsschließenden Parteien bei dieser Bezugnahme wohl kaum die strittigen Immissionswerte im Sinn gehabt hätten, sondern nur den größeren Zusammenhang der Inbesitznahme des betroffenen Grundstücks ansprechen wollten. Folgt man dieser Argumentation, muss man sich fragen, was denn überhaupt der Sinn und Zweck konkreter Angaben in einem Planfeststellungsbeschluss ist. Dieser hat doch Allgemeingültigkeit, und zwar einschließlich der Grenzwerte, und zwar ohne dass diese auch unter Vertragspartnern, die sich in diesem Umfeld bewegen, noch einmal ausdrücklich genannt und vereinbart werden müssten. Das ist Sinn und Zweck von Grenzwerten in einem Planfeststellungsbeschluss. Ein Zuhörer fragte spontan nach Schluss der Verhandlung. „Was war denn das?“