Gestern fand der Zivilprozess von zwei im Netzwerk Untertürkheim vertretenen Eigentümerinnen vor dem Landgericht Stuttgart gegen die Bahn statt statt. Die Hausbesitzerinnen aus dem Lindenschulviertel klagten wegen mehrfacher Überschreitung der zulässigen Erschütterungswerte durch den Tunnelbau und beriefen sich auf eine Klausel in ihrer mit der Bahn abgeschlossenen Gestattungserklärung.
Danach sollte beim Bau des Tunnels der Planfeststellungsbeschluss eingehalten werden. Die Eigentümerinnen hatten diese Klausel mit ihrem Rechtsanwalt bei den Verhandlungen über die Unterfahrungsrechte eine Gestattungserklärung ausgehandelt, damit trotz der äußerst knappen Unterfahrung die Gebäudesubstanz durch die Spreng- und Meißelarbeiten nicht geschädigt wird und auch in der Nacht die Richtwerte der durch die Planfeststellung vorgegebenen DIN 4150 für Erschütterungen eingehalten werden.
Doch die Messungen des von den Eigentümerinnen beauftragten Gutachters zeigten während des Vortriebs deutliche Überschreitungen, die die Bahn anzweifelte. Die beiden Stuttgarter Zeitungen berichteten darüber. Im Prozess musste die Bahn einräumen, dass Erschütterungswerte doch überschritten wurden. Dennoch endete der Zivilprozess mit einem Vergleich. In diesem gestand die Bahn den beiden Eigentümerinnen zu, dass sie beabsichtige die Erschütterungsrichtwerte der DIN 4150 einzuhalten und erklärte sich bereit, Messwerte nachzuliefern. Die Zusicherung auf eine tatsächliche Einhaltung der Richtwerte wollte die Bahn jedoch mit Blick auf die Unwägbarkeiten des Bauens nicht abgeben. Wir werden noch einen Beitrag auf der Netzwerk-Seite über den Prozess veröffentlichen.
Die beiden Stuttgarter Zeitungen (hier) berichten heute ausführlich über den Prozess und über die Bedenken des Richters, dass die vertragliche Regelung in der Gestattungserklärung mit der Bahn auf Einhaltung der Planfeststellung gelte. Die StZN schreibt:
„Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte wenige Tage vor dieser Verhandlung eine Klage, bei der es den Anwohnern um das Verbot nächtlicher Sprengungen ging, eingestellt. Trotz der Einstellung gaben die Mannheimer Richter in ihrer Begründung einen interessanten Hinweis: Für den Senat sei beim Studium des Planfeststellungsbeschlusses „hinreichend deutlich“ geworden, dass die maßgeblichen DIN-Anhaltswerte zu Grenzwerten erhoben worden seien. Werte darüber sollten also gar nicht auftreten.
[…] Richter Markus Haas stellte sich allerdings die Frage, ob die Klägerinnen mit der von ihnen unterschriebenen Erlaubnis zur Untertunnelung ihres Grundstücks überhaupt auf die Einhaltung des Planfeststellungsbeschlusses klagen könnten. Dass der Beschluss beachtet werden müsse, hatten die Frauen als extra Passus in ihren Gestattungsvertrag schreiben lassen. Er tue sich schwer damit, sagte Haas. Sei die Bahn damit vertraglich an die Anhaltewerte gebunden?
Die Überlegungen des Richters konnten weder Anwalt Ludwig noch die zahlreichen Zuhörer aus den Netzwerken nachvollziehen, die sich im Kampf gegen Stuttgart 21 oder für eine gute Absicherung möglicher Schäden gebildet haben. Wenn man Haas richtig verstehe, dann müsse man als Eigentümer in Gestattungsverträge künftig wohl viel mehr Regelungen aufnehmen. Zum Beispiel, dass sämtliche möglichen Grenzwerte eingehalten werden müssten und die Bahn bei Überschreitungen eine Entschädigung zu zahlen habe, hieß es im Publikum.“