Letzte Woche Freitag fand wieder der Lenkungskreis zwischen Vertretern der Bahn und der Projektpartner statt. Die Stuttgarter Zeitung (hier) berichtete über die Pressekonferenz nach der Sitzung. Dies war der erste Lenkungskreis, den der neue Bahn-Vorstand Ronald Pofalla leitete und auf dem er die Bedeutung von Stuttgart 21 als Großprojekt für die Bahn relativierte. Besprochen wurde auch die für den Regionalverkehr wichtige kreuzungsfreie Anbindung bei Wendlingen, die ohne zusätzliche Baumaßnahmen und Mittel nicht realisiert werden kann. Die Präsentation des Lenkungskreises ist auf der Webseite der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH (PSU) abrufbar (hier). Nicht minder interessant wären die Informationen, die dabei ausgespart wurden. Wir möchten kurz einen kurzen Überblick geben:
- Zeitplan von Stuttgart 21
Wie nach dem StZ- Interview von Ronald Pofalla (hier) zu erwarten war, gab es nichts Neues zum Zeitplan. Erst im nächsten Jahr ist eine Revidierung des Zeitplans vorgesehen, sobald weitere Vergaben getätigt wurden, die „mit einem Zeitplan unterlegt sein müssen„. Bis dahin gilt die offizielle Ansage, dass die Bahn zumindest ein der zwei Jahre Bauverzug aufholen will. Hier die auf dem Lenkungskreis präsentierte Übersicht:
Die zwei Jahre Verzögerung sind vor allem durch den schleppenden Baufortschritt am hochkomplexen Südkopf des „Tiefbahnhofs“ verursacht. Aus einer weiteren Folie geht hervor, dass sich die Bahn hier erhofft, zumindest acht Monate Bauverzug u.a. mit Nachtschichten und parallelen Bauarbeiten wieder einzuholen. Mit der SSB, die auch mit ihren Baumaßnahmen im Rückstand ist, sei jedoch noch kein „Gegensteuerungserfolg für Haltestelle Staatsgalerie erzielt“:
Die Wochenzeitschrift Kontext (hier) hält diesen Zeitplan angesichts der komplexen Bauarbeiten der Bahn und der SSB am Südkopf für nicht realistisch und schreibt dazu: „Dass schon die Fertigstellung Ende 2023 extrem unwahrscheinlich ist, weil der verfluchte Nesenbachdüker viel später als geplant fertig sein wird, hatte Kontext bereits vor einem Monat in Erinnerung gerufen. So unwahrscheinlich, dass wir die Hoffnungen von Fritz Kuhn dämpfen müssen. Der Stuttgarter Oberbürgermeister hatte nämlich von der Bahn eine Klärung gefordert, wann das Projekt denn nun fertig werde und ob das eine Jahr Verzögerung gehalten werden könne. Und zwar noch im Laufe dieses Jahres. Das sei nämlich wichtig für die Anschlussplanung, schließlich solle 2027 in Stuttgart und Region eine IBA stattfinden. Worauf wir für die Playlist des grünen OB einen Song der Monkees von 1967 empfehlen: „Daydream Believer“.“
2. Aktueller Baustand, geplante Bauarbeiten und Planänderungen in den einzelnen Abschnitten
Die Lenkungskreisunterlage enthält zu jedem Planfeststellungsabschnitt bzw. Tunnel eine Folie mit der Übersicht über die derzeit laufenden Baumaßnahmen: „Tiefbahnhof PFA 1.1. / Fildertunnel PFA 1.2. / Flughafenanbindung PFA 1.3. / Denkendorf PFA 1.4. / Feuerbacher Tunnel PFA 1.5. / Cannstatter Tunnel PFA 1.5. / Obertürkheimer Tunnel PFA 1.6.a und dem geplanten Planfeststellungsverfahren zum Untertürkheimer Abstellbahnhof PFA 1.6 b.
Einen Zeitplan für die anstehenden wesentlichen Bauarbeiten, z.B. an den einzelnen Baufeldern für den „Tiefbahnhof“, mit Prämissen und Meilensteinen, wie sie noch bis 2015 regelmäßiger Bestandteil der Lenkungskreisunterlagen war, sucht man vergeblich. Ebenso Informationen zu den Ursachen der Bauverzögerungen. Im November 2016 enthielt eine Folie der Lenkungskreispräsentation noch zumindest einen Hinweis zu den Ursachen der Verzögerung im PFA 1.1. / Tiefbahnhof. Danach sind auch im Jahr 2017 Bauverzögerungen wegen der ausstehenden Planänderung zur Entfluchtung und den fehlenden Statikfreigaben zu rechnen.
Auch bei den Planänderungsverfahren wurden die Projektpartner in der Lenkungskreisunterlage ab Seite 23-25 nur noch über die aktuell sich in Bearbeitung befindlichen Verfahren informiert. Jedoch nicht mehr wie noch 2016 über die anstehenden Verfahren. Damals wurden weitere 21 Verfahren angekündigt und die personellen Engpässe im Eisenbahn-Bundesamt zur Abarbeitung dieser Bugwelle thematisiert.
Inzwischen sind fünf dieser einundzwanzig Verfahren mitlerweile in Bearbeitung. Darunter Planänderungsverfahren zur Entrauchung und dem Löschwasser im Fildertunnel und im Obertürkheimer Tunnel, über die in der Öffentlichkeit noch nicht informiert wurde. Auch das kritische Thema Brandschutz ist wieder nicht in der Lenkungskreisunterlage zu finden. Lediglich in der Auflistung der Planänderungsverfahren findet sich beim Verfahren „Anpassung Fluchtwege“ der Hinweis, dass neue Fluchtwegeausgänge einzuarbeiten sind. Dennoch wird der Genehmigungsbescheid des Eisenbahn-Bundesamtes laut Lenkungskreisunterlage bereits im Juli 2017 erwartet.
3. Baurisiko Anhydrit
In der StZ-Meldung heißt es zu den Bauarbeiten im Anhydrit: „Nach Angaben von S-21-Chef Manfred Leger seien knapp drei Viertel der kritischen Passagen gemeistert. Dabei habe es im Bereich des Tunnels aus Feuerbach Hebungen gegeben. Um bis zu 13 Millimeter habe sich die Oberfläche gehoben, die Bewegungen seien aber vor Monaten zum Stillstand gekommen.“
Noch im Dezember 2016 hieß es in einer Meldung der beiden Stuttgarter Zeitungen (hier), dass Hebungen von maximal 5 mm aufgetreten sind. Die StZN schreiben damals: „Die gefürchteten Hebungen habe man an der Tunnelsohle bisher mit maximal fünf Millimeter registriert.“
Dass die Bahn nicht ausschließen kann, dass es auch bei den 13 Millimeter bleiben könnte, zeigt die Folie zum Sachstand Anhydrit im PFA 1.5.. Danach laufen derzeit Untersuchungen für höhenjustierbare Ausgleichsmaßnahmen von bis zu 30 cm!:
Bemerkenswert ist, dass jetzt erst an höhenjustierbaren Geleitsystemen mit einem Ausgleich bis zu 7,6 cm gearbeitetet wird. Laut der oben genannten StZN-Meldung sprach die Bahn, dass bis zu zehn Zentimeter später durch das Einstellen der Gleise ausgeglichen werden können. Die Untersuchung von einem Höhenausgleich von bis zu 30 cm könnte nach der Sondersitzung des Lenkungskreises zum Anhydrit-Risiko veranlasst worden sein.
Wie im Dezember-Beitrag über den Baufortschritt beim Tunnelbau berichtet, schließen die vom Aufsichtsrat der Bahn AG beauftragten KMPG-Gutachter Hebungen im Feuerbacher und Cannnstatter Tunnel nicht aus. Beim Feuerbacher Tunnel rechnen sie allein bis zur Inbetriebnahme von Stuttgart 21 mit einem Baurisiko im Anhydrit von Hebungen über 10 cm, die sich bis zur Geländeoberfläche auswirken, von bis zu 13,5 %.
4. Anwohnerthemen
Der Immissionsschutz bzw. die Belastungen der Anwohner entlang der S21-Baustellen wurden auf dieser Lenkungskreissitzung komplett ausgespart. Stattdessen stand der Artenschutz auf der Agenda. Lediglich auf Seite 39 findet sich die Information, dass durch eine „intensive Zusammenarbeit mit den Landesbehörden“ die Nachtsprengungen befristet frei gegeben wurden.