Bahn verklagt Projektpartner auf Übernahme der Mehrkosten von Stuttgart 21

Jetzt ist das Szenario eingetreten, vor dem die Kritiker des Projekts gewarnt hatten. Die DB AG wird ihre Projektpartner Land, Stadt, Region und Flughafen auf Übernahme der Mehrkosten von Stuttgart 21 verklagen. Dieses Klageverfahren hatte der Bahn-Aufsichtsrat dem Konzern auferlegt, nachdem dieser im Dezember 2012 Mehrkosten von mehr als 2 Milliarden Euro gegenüber dem vertraglich mit den Projektpartnern vereinbarten Budget von 4,5 Milliarden Euro einräumen musste.

Aus den folgenden Presseberichten geht jedoch nicht hervor, dass bei der damals  eingeräumten Kostensteigerung allein 1,1 Milliarden wegen unrealistischer Planung und nicht realisierter Einsparauflagen auf die eigene Kappe des Konzern geht. (Spiegel / StZ StN /Auszug Pressepräsentation DB AG).

So schrieb die StN im Dezember 2012: „Das sind nur die Mehrkosten, die der Bauherr, die Bahn, zu verantworten hat. Zu verantworten, auch das gibt Kefer einigermaßen unumwunden zu, weil die Bahn schlecht geplant und kalkuliert hat. 610 Millionen Mehrkosten erklärt Kefer nun damit, dass fällige Leistungen einfach nicht im Budget vorgesehen waren. Da tauchen nun plötzlich Gebühren auf, von denen früher nie die Rede war. Da wurden Rohstoffpreise unterschätzt, da wurde falsch eingeschätzt, welche Mehrkosten entstehen, wenn die unterschiedlichen Gewerke sich auf der Baustelle ins Gehege kommen. Außerdem hat die Bahn die ganze Zeit über systematisch Selbsttäuschung betrieben. Sie hat nämlich immer unterstellt, dass in der Bauphase noch riesige Summen eingespart werden könnten. Nun gibt sie aber zu, dass fast eine halbe Milliarde der unterstellten Einsparungen nicht kommen wird.“

Damals wollte die DB AG nach juristischer Prüfung der Sprechklausel durch die renommierte Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer doch nicht ziehen. Die StZ schrieb damals (hier): „Auf Grundlage dieses Rechtsgutachtens sei der Vorstand „zu der Einschätzung gelangt, dass eine gerichtliche Klärung der Finanzierung der Mehrkosten aus der festgestellten Kalkulationsdifferenz (absehbare Mehrkosten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro) wenig Erfolg versprechend erscheint“. Nach Ansicht des Vorstandes würde eine voraussichtlich lang andauernde gerichtliche Auseinandersetzung „mit ungewissem Ausgang“ das Projekt insgesamt lähmen und die Zusammenarbeit mit den Projektpartnern Land und Stadt erheblich belasten.“

Die Juristen zu Stuttgart 21 (hier) und das Aktionsbündnis (hier) sehen dies anders. Ein Zitat aus einer Pressemitteilung des Aktionsbündnisses aus dem Jahr 2015: „Wer auf einer völlig ungesicherten Vertragsgrundlage zusehe, wie täglich Kosten und Mehrkosten anwüchsen, nehme billigend in Kauf, dass am Ende Milliarden Euro Mehrbelastungen auf Öffentliche Haushalte und Steuerzahler zukämen, so von Loeper.“

Auch wenn die Bahn erneut beteuert, dass der aktuelle Kostenrahmen eingehalten werden würde. Der Bahnvorstand musste noch im Juni 2016 gegenüber dem Aufsichtsrat einräumen, dass wegen zusätzlich eingetretener Risiken in Höhe von 623 Millionen Euro der für die gesamte Bauzeit verbliebene Puffer auf 15 Millionen Euro zusammengeschmolzen ist (hier). Auch in diesem Fall  handelt es sich für die Bauherrin Bahn um eigentlich absehbare Risiken, wie beispielsweise zusätzliche Sicherungsmaßnahmen beim Tunnelbau im quellfähigen Anhydrit sowie die Einhaltung der gesetzlichen Brand-, Lärm- und Artenschutzauflagen bei dem Großprojekt. Weitere Mehrkosten drohen nach Einschätzung des Bundesrechnungshofs und des Münchener Verkehrsberaters Dr.Vieregg, die aber der Bahnvorstand und die S21-Projektgesellschaft vehement bestreiten.

Gerade zu dreist mutet es an, dass Bahn-Chef Rüdiger Grube sich letzte Woche in einem Vortrag von Stuttgart 21 distanzierte, auch wenn das Dementi der DB AG prompt folgte. So schreibt der Spiegel: „Ich habe Stuttgart 21 nicht erfunden und hätte es auch nicht gemacht“, sagte er nach SPIEGEL-Informationen auf einer Veranstaltung des Bundesverbands Führungskräfte Deutscher Bahnen…. Das Fachpublikum reagierte irritiert auf seine Ansprache. Grube sei seit 2009 im Amt, hieß es. Baubeginn für Stuttgart 21 sei aber erst 2010 gewesen. Außerdem habe Grube in den vergangenen Jahren angesichts immer neuer Kostensteigerungen die Möglichkeit gehabt, das Projekt zu stoppen. “

Der SWR (hier) meldet dazu: „Der baden-württembergische Verkehrsminister Hermann sagte dem SWR, Grubes Aussage sei entlarvend. CDU-Fraktionschef Reinhard erklärte, Grube könne sich nicht von allem distanzieren, was er als Chef sieben Jahre lang vertreten habe.

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