Die Stuttgarter Nachrichten berichteten gestern (hier) über die Arbeit eines beauftragten Bauingenieurs vom renommierten Ingenieurbüro Prof. Dr. W. Wittke Beratende Ingenieure für Grundbau und Felsbau GmbH auf der Stuttgart 21-Tunnelbaustelle im Obertürkheimer Tunnel, der trotz der „sehr komplexen“ Geologie im Stuttgarter Untergrund keine unkakulierbare Gefahr sieht. Seine Aufgabe ist es die Geologie zu untersuchen und die Sicherheit beim Tunnelbau zu gewährleisten.
Interessant ist die Passage der StN zu den Arbeitsbedingungen beim Bau der Tunnel im quellfähigem Anhydrit. Denn immerhin rund 16 Kilometer müssen bei Stuttgart 21 durch anhydritführenden unausgelaugten Gipskeuper durchfahren werden:
„Beim Anhydrit ist das anders. Da hilft es auch nicht, irgendeinen Puffer einzuplanen, falls sich der Untergrund ausdehnen sollte. Anhydrit kann man nur mit absoluter Trockenheit bändigen. „Also darf an solchen Stellen kein Wasser dran. Die Baustelle im Nachbartunnel zum Beispiel ist staubtrocken“, sagt Hochgürtel. Ohne eine gewaltige Absauganlage und Mundschutz könnte dort niemand arbeiten. Die Sicht liegt oft bei unter zwei Metern. Doch selbst wenn später irgendwo Gestein aufquellen sollte, habe man das im Griff, beteuert der Bauingenieur: „Die Innenschale ist stark genug. In Deutschland herrscht ein sehr großes Sicherheitsdenken.“
Die Einschätzung des Bauingenieurs, dass man beim Anhydrit alles im Griff habe, ist angesichts der Probleme, die bei Tunnelbauten auch noch in jüngster Zeit auftreten, optimistisch. So schrieb die Basler Zeitung über die hohen Sanierungskosten beim 2001 fertiggestellten Schweizer Adler Tunnel: „Bei jedem neuen Juradurchstich warnen die Geologen vor dem Gipskeuper, während die Ingenieure erklären, inzwischen habe man das Problem im Griff. Das war auch beim 5,3 Kilometer langen Adlertunnel so.“
Auch berichtete die Stuttgarter Zeitung im Dezember letzten Jahres (hier) über die erneut erforderliche, aufwendige und kostspielige Sanierung des 1999 in Betrieb gegangenen Leonberger Engelbergtunnels:
„Erste Anzeichen, dass sich in dem Tunnel etwas tut, gab es schon vor 2010. In den beiden Röhren wurden Verschiebungen in der Fahrbahn gemessen. Obwohl die sich nur im Millimeterbereich bewegten, zeigten angehobene Gullyroste und verbogenen Blechverkleidungen an den Abluftschächten, dass etwas im Gange ist. (…) „Es wurde festgestellt, dass das Anhydrit auch von den Seiten drückt und die Fahrbahnen in Mitleidenschaft zieht“, erläuterte jetzt Hermann Klyeisen, der Baudirektor im Regierungspräsidium Stuttgart, bei dem Vor-Ort-Termin. Deshalb soll nun der Tunnel in den Jahren 2017 und 2018 unter Verkehr saniert werden.“
Im StZ-Kommentar war damals Folgendes zulesen: „Aufquellender Anhydrit hat schon während der Bauzeit 30 Zentimeter dicke provisorische Betonwände wie Eierschalen geknackt. Und weil man das wusste, versuchte man, mit drei Meter dickem Stahlbeton entgegenzuhalten – wie sich zeigt, nicht gerade erfolgreich. Die Planer von Stuttgart 21 sollten durch die Entwicklung in Leonberg gewarnt sein, denn sie haben mit ähnlichem Untergrund zu tun. Die doch nicht immer kalkulierbaren Kräfte der Natur zu unterschätzen, kann ganz schön ins Geld gehen.“
In der Schlichtung wurden auch die Risiken des Tunnelbaus im Anhydrit behandelt. Verantwortliche der Bahn bzw. ihr Sachverständige für den Tunnelbau bei Stuttgart 21, Prof. Dr. Wittke, argumentierten in den Planfeststellungsverfahren und in der Schlichtung, dass die Risiken des Tunnelbaus auch im stark quellenden Anhydrit-Gestein aufgrund der jahrezehntelangen Erfahrungen im Freudensteiner Versuchsstollen (StZ-Bericht) sowie beim Bau der S-Bahn-Wendeschleife und des Hasenbergtunnels allesamt beherrschbar seien.
Doch die beiden vom „Tunnelpapst“ Prof. Dr. Wittke begleiteten Tunnel bilden die Ausnahme, wie die Übersichten, die der Geologe Dr. Jakob Sierig damals in der Schlichtung präsentierte, zeigt:
Wenn die Quellprozesse eingesetzt haben, sind sie auch nach Jahrzehnten nicht mehr zu stoppen:
Ein exemplarische Auflistung von Schäden durch quellenden Anhydrit findet man auf der Webseite der Fernsehturmfreunde.