Das Netzwerk Wangen/Untertürkheim hat sich gemeinsam mit dem Infobündnis Zukunft Schiene in einem offenen Brief an die Redaktion der Untertürkheimer Zeitung gewandt. Anlass ist der Artikel vom 08.11.2013 über die durch die Rammarbeiten der Bahn enstandenen Gebäudeschäden in der Gaggenauerstraße, im dem nur unzureichend über die Ursachen und die Haftungsfrage berichtet wurde. In diesem Zusammenhang weist das Netzwerk auch auf die für den Tunnelbau in Wangen noch fehlenden Beweissicherungen und Unterfahrungsrechte hin. Den gemeinsamen Brief des Netzwerks Wangen/ Untertürkheim und des Infobündnisses Zukunft Schiene finden Sie hier.
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit einiger Verwunderung haben wir den Bericht in der UZ „Blick vom Rotenberg – Risse im Haus durch Tunnelarbeiten“ am 8.11.2013 gelesen.
Sie stellen in diesem Bericht im Konjunktiv formuliert die Schäden am Gebäude in der Gaggenauer Straße in UT im Zusammenhang mit dem Bau der Rettungszufahrt dar. Wir haben Verständnis für den Konjunktiv als Schutz für potentielle Klagen seitens des Kommunikationsbüros.
Allerdings sind wir über die beschwichtigende und abwiegelnde, zum Teil verkürzte Berichterstattung enttäuscht. „Wir“ – das sind das Netzwerk Wangen/Untertürkheim, ein Zusammenschluss von Eigentümer/innen, die von der Untertunnelung durch S 21 (PFA 1.6a) direkt betroffen sind, und „Zukunft Schiene“, eine Initiative, die Ihnen inzwischen bekannt ist.
Im Folgenden legen wir unsere Einschätzung und unsere Sicht dar:
Nach Aussage des Eigentümers des Gebäudes in der Gaggenauer Straße traten die massiven Schäden nach den Rammungen im August auf (vgl. Bilder). Wie sonst sind diese Schäden zu erklären, ohne einen Zusammenhang zu den Bauarbeiten herzustellen?
Unsere „Beobachter“ (cams21) sind auch in den Zeiten, in denen statt der „klassischen Rammungen“ die leiseren Vibrationsrammungen stattfanden, vor Ort gewesen. Einhellig sprachen alle davon, dass auf dem Gehweg vor dem Gebäude massive Schwingen zu spüren waren. Man kann, ohne Baustatiker zu sein, davon ausgehen, dass die Schäden sich ausbreiten werden. Die nachtägliche Aufnahme in die Beweissicherung ist nach einem Eintritt von Schäden völlig sinnlos und dient nur zur Beruhigung der Öffentlichkeit.
An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass Herr Prof. Dr. Behmel (Geologe) am 15.03. 2013 bei einer Veranstaltung zu möglichen Schäden im Zusammenhang mit dem Bau von S21 genau darauf eingegangen ist und begründet hat, dass die Beweisicherungs-grenzen die besonderen geologischen Voraussetzungen im Neckartal nicht berücksichtigen und viel weiter gespannt sein müssten. Leider war von Ihrer Zeitung niemand bei der Veranstaltung in Wangen anwesend.
Sehr verkürzt haben Sie in Ihrem Artikel die Schadensregulierung innerhalb der Beweissicherungsgrenzen dargestellt. Es ist keinesfalls so, dass „… mit der Beweis-sicherungspflicht […] die Anwohner sprichwörtlich abgesichert“ sind (Zitat Artikel 8.11.13). Vielmehr muss der Eigentümer belegen, dass entweder die Baufirma oder die Bahn zumindest fahrlässig gehandelt hat (Aussage des Bahnjuristen Dr. Schütz am 08.11.13 bei der Infoveranstaltung im Rathaus zu den Baumaßnahmen im Kernerviertel). Das bedeutet, dass der Geschädigte – d.h. der Grundstückseigentümer – ggf. der DB Netz AG oder der Baufirma ein Verschulden nachweisen muss.
Wie soll dieser Nachweis von einem Eigentümer geführt werden, wenn das Eisenbahn-Bundesamt die in den Nebenbestimmungen zum Planfeststellungsbeschluss vom Mai 2007 geforderten Erschütterungsprotokolle den Betroffenen auf Anfrage nicht zur Verfügung stellt? Es bleibt nur ein langwieriger und kostenintensiver Prozess, den vermutlich viele Eigentümer scheuen oder sich nicht leisten können.
Übrigens gelten diese Nebenbestimmungen auch für die Lärmimmissionen. Auch dieses Wochenende wurden die Anwohner heftig belästigt. Ein Blick in die Nebenbestimmung zum Planfeststellungsbeschluss vom Mai 2007 (2.3.7) zeigt, dass ein Anspruch auf passive Schallschutzmaßnahmen besteht, wenn sich Immissionskonflikte nicht vollständig ausschließen lassen. Uns ist nicht bekannt, dass diese irgendwo umgesetzt worden sind. Somit erfüllen unserer Ansicht nach weder die Bahn noch die beauftragten Firmen die in den Nebenbestimmungen festgelegten Auflagen des Eisenbahn-Bundesamts. Da selbiges die Auflagen nicht kontrolliert, besteht wohl aus Sicht der Vorhabensträgerin auch keine Notwendigkeit dazu Auflagen einzuhalten.
Noch am Rande bemerkt: Der geplante Tunnelanstich in Wangen am 04.12.13 birgt ebenfalls einige Ungereimtheiten in sich. So ist zumindest ein Gebäude, welches sich ca. 200 Meter von der Baustelle befindet, noch nicht von der Firma Spang (Esslingen) in die Beweissicherung aufgenommen worden, obgleich vor 2 Jahren das Anschreiben an den Eigentümer erfolgte. Mehrere Eigentümer haben noch keine Dokumentation über die durchgeführte Beweissicherung. Die Gestattungsverträge zur Untertunnelung sind teilweise nicht unterschrieben. Hier setzt die Bahn offensichtlich auf den §22 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (nachstehend AEG), das eine Enteignung gemäß § 21 AEG sowie die vorzeitige Besitzeinweisung ermöglicht.
Wir halten die bislang gemachten Vorschläge der DB Netz AG in den Gestattungsverträgen für unbillig. Die vorgelegten Vertragsentwürfe zeichnen sich dadurch aus, dass dort die Pflichten der Grundstückseigentümer in unangemessener Weise weit gefasst sind und den Eigentümern dadurch unakzeptable Risiken auferlegt werden. (Gestattungsverträge § 1(3)) (ein entsprechender Gestattungsvertrag kann bei uns eingesehen werden).
Wir sind der Ansicht, dass die DB Netz AG, je weiter sie Unterlassungspflichten und Einschränkungen des Eigentümers in der Nutzung seines Grundstücks verlangt, umso deutlicher dokumentieren muss, wie stark die Beschränkungen sind, die die Eigentümer hinzunehmen haben.
Gerne stehen das Infobündnis Zukunft Schiene und das Netzwerk Wangen/ Untertürkheim für weitere Informationen zur Verfügung, da wir davon ausgehen, dass die UZ an einer ausgewogenen und sachlich korrekten Berichterstattung ein Interesse hat.
Mit freundlichen Grüßen
Netzwerk Wangen/Untertürkheim und Infobündnis Schiene