Überwachung untauglich, weiterhin Rostwasser: Ingenieure 22 und BUND fordern Austausch der blauen Rohre

Die Ingenieure 22 haben wieder Wasserproben, die sie Mitte September unter Beisein eines Rechtsanwaltes aus zwei Infiltrationsbrunnen genommen hatten, in unabhängigen Labors analysieren lassen. Sie weisen im Gegensatz zu den Proben, die die betreibende Firma Hölscher selbst durchführt, wieder hohe Werte von Rost als Schwebestoffe und Eisen auf. Die Stuttgarter Zeitung berichtet in ihrer heutigen Ausgabe (hier) darüber.

Die Ingenieure 22 und der BUND Regionalverband Stuttgart fordern in einer gemeinsamen Presseerklärung vom 17.10.2014 zur Einhaltung der strengen Auflagen der Planfeststellung und im Hinblick auf den Naturschutz den sofortigen Austausch der rostigen blauen Rohre:

Pressemitteilung: Weiterhin Rostwasser in S21-Blauen Rohren-   Überwachung untauglich Rohre müssen getauscht werden

Die vom Eisenbahn-Bundesamt angeordnete zweimonatige Überwachung auf Rost in den blauen Rohren des Stuttgart 21 Grundwassermanagements läuft am 17. Oktober aus. Während dieser Zeit sollte an allen in Betrieb befindlichen Brunnen jeweils wöchentlich eine Probe entnommen und auf gelöstes Eisen und abfiltrierbare Stoffe untersucht werden. Nach den bisherigen Verlautbarungen des Eisenbahnbundesamtes seien alle Proben unbedenklich.

Der BUND und die Gruppe der Ingenieure22 kritisieren diese Überwachung als völlig untauglich und sehen diese als Täuschung der Öffentlichkeit an.

Die Beschränkung der Untersuchung auf gelöstes Eisen und abfiltrierbare Stoffe klammert bewusst den Rost aus. Dieser liegt als unlösliche Eisenverbindung vor und macht nahezu den Gesamtbetrag an Eisen aus (über 99,5%). Die Bezeichnung „abfiltrierbare Stoffe“ verschleiert, dass der Rost zunächst aus der Probe entfernt wird, bevor auf Eisen untersucht wird. Auf diese Weise wird das Eisen gar nicht erfasst. Das im Wasser gelöste und damit unsichtbare Eisen beträgt nur Bruchteile eines Milligramms je Liter.

Wie durch Augenzeugenberichte und Foto-Aufnahmen mehrfach belegt, werden die Wasserproben von der von der Bahn beauftragten Firma Hölscher Wasserbau selber entnommen. Dies lässt keine objektive Bewertung zu, weil zuvor das Rostwasser durch längerdauerndes Ablassen aus der Leitung herausgespült und dabei durch zunächst klares Wasser ersetzt wird.

„Die im Auftrag der Bahn agierende Firma darf sich hier mit Wissen und Duldung des Eisenbahn-Bundesamtes sowie des Amtes für Umweltschutz der Stadt Stuttgart selber überwachen. Das ist nicht haltbar,“ kritisiert Gerhard Pfeifer, BUND Regionalgeschäftsführer.

Durch das „Sauberspülen“ der Leitungen vor der Probenahme und die Beschränkung der Probenahmen auf die im Betrieb befindlichen Brunnen, wird das Ergebnis bewusst und unzulässig verfälscht; die so entnommenen Proben entsprechen in keiner Weise dem tatsächlichen Betrieb mit nur sehr geringer Durchströmung der Leitungen sowie häufiger und längerdauernder Stillstände. Im normalen Betrieb wird der im stehenden oder nur sehr langsam fließenden Wasser angereicherte Rost unvermeidlich in den Untergrund des Heilquellen-Schutzgebietes oder in den Neckar eingeleitet. Dieser Sachverhalt fällt bei der aktuellen Überwachung aber unter den Tisch.

Tatsächlich geht der Rostvorgang der Rohre unvermindert weiter, wie durch zwei neu entnommene Proben Mitte September 2014 von den Ingenieuren22 erneut nachgewiesen wurde, und lässt sich durch kein noch so ausgeklügeltes Messverfahren unterbinden. Die Proben wurden diesmal im Beisein eines Rechtsanwaltes genommen, der diese an sich genommen und an die Prüflabors übergeben und hierüber eine Bestätigung ausgestellt hat, so dass Zweifel an der Echtheit der Proben gar nicht erst aufkommen können.
Die entnommenen Proben wurden- wie die vorangegangenen auch – jeweils von zwei akkreditierten Prüflabors unabhängig voneinander untersucht; die Ergebnisse: starker Rostgehalt sowie hohe Überschreitung des Einleitgrenzwertes für abfiltrierbare Stoffe. Dies steht im Widerspruch zu dem, was bisher von der Überwachung der blauen Rohre öffentlich verkündet wurde.

Die eine Wasserprobe war bereits bei der Entnahme sehr stark rotbraun verfärbt und wies einen sehr hohen Eisengehalt von 29 bzw. 31 Miligramm Eisen pro Liter auf bei einem Gehalt an „abfiltrierbaren Stoffen“ von 61 bzw. 78 mg/l. Dies stellt eine drei- bzw. 3,9fache Überschreitung des gemäß Planfeststellungsbeschluss zulässigen Einleit-Grenzwertes von 20 mg/l für „abfiltrierbare Stoffe“ dar.
Bei der zweiten, an anderer Stelle entnommenen Wasserprobe, wurde ein Gesamt-Eisengehalt von 4,0 bzw. 4,9 mg Eisen pro Liter sowie ein Gehalt an „abfiltrierbaren Stoffen“ von 13 bzw. 32 mg/l festgestellt. Nach dem Messergebnis des einen Untersuchungslabors wurde also auch an diesem Rohrstrang der zulässige Einleitgrenzwert von 20 mg/l für „abfiltrierbare Stoffe“ überschritten.

Hans Heydemann von den Ingenieuren22 erläutert: „Dass an diesem Strang im Vergleich zu allen anderen Proben ein deutlich geringerer Eisen-Gehalt und zunächst keine, später nur eine deutlich geringere Verfärbung festgestellt wurde, kann nur auf zwei Möglichkeiten beruhen: Entweder wurde die Leitung vorher kräftig „saubergespült“ oder dem Wasser wurden chemische Mittel zur Sauerstoffbindung und/oder als Korrosionsschutz zugesetzt, was in jedem Fall nicht zulässig ist.“

Der dabei festgestellte Eisengehalt des durch Rost stark verunreinigten Infiltrationswassers beträgt etwa das Fünfhundertfache des natürlichen Eisengehaltes des Grundwassers. Das ist mit der Anforderung der Planfeststellung nicht vereinbar, wonach das Infiltrationswasser „keinen grundlegend verschiedenen hydrochemischen Charakter“ aufweisen darf als das Grundwasser im Bereich der Baumaßnahme. Hiergegen verstößt die Bahn fortgesetzt seit Inbetriebsetzung des Grundwassermanagement Ende Februar diesen Jahres.

Höhere Eisengehalte im Grundwasser und insbesondere in offenen Gewässern sind keineswegs unbedenklich; sie können sich erheblich schädigend auf Flora und Fauna auswirken. In diesem Zusammenhang weist der BUND darauf hin, das ungereinigtes Überschusswasser mit seiner hohen Rost-und Schmutzfracht unmittelbar in den Neckar abgeleitet wird und zwar direkt in das hier ausgewiesene „Fisch-Schongebiet“ zwischen der Cannstatter Schleuse und dem Fußgängersteg. Offenbar wurde auch dieser Tatbestand im Planfeststellungsverfahren gänzlich übersehen. Zum Vergleich, in Ludwigsburg wurde die Entleerung des Druckprobenwassers aus einer neu gebauten Ethylen-Leitung in einen Bach wegen der Rostverschmutzung des Wassers untersagt.

Das Einleiten rosthaltigen Wassers in den Untergrund des Stuttgarter Heilquellen-Schutzgebietes kann zuverlässig nur dadurch verhindert werden, dass Rohre aus korrosionsbeständigen Werkstoffen, z.B. HD-PE, wie von der Deutschen Bahn zuletzt im Antrag auf Genehmigung der 7. Planänderung (Verdoppelung der abzupumpenden Grundwassermengen) in Abschnitt 3.2 angegeben, verwendet werden.
„Deshalb muss die Vorhabensträgerin die Rohrleitungen aus ungeschütztem Stahl gegen solche mit innerem Korrosionsschutz ersetzen, bevor das S21-Grundwassermanagement voll in Betrieb geht“, fordert Hans Heydemann.
Rückfragen an:
Hans Heydemann, Ingenieure22
Gerhard Pfeifer, BUND
 

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