Die Stuttgarter Zeitung berichtet heute (hier), dass seit Ende Januar der Vortrieb des Tunnels kurz vor dem städtischen Hallenbad wegen neuer Erkenntnisse über die Gründung des Bauwerks stockt. Im Zuge der Ausführungsplanung sei die Bahn auf alte Pläne gestoßen, nach denen das Bad auf Pfählen gegründet sei. In der Genehmigung sei man noch auf Grundlage der damals bekannten Unterlagen von einer Flachgründung ausgegangen.
Nach den aktuellen Erkenntnissen sind es zwischen Tunnelfirst und dem Ende der Pfähle gerade einmal vier Meter. Die StZ schreibt dazu: „Aber selbst wenn die Pfähle noch länger sein sollten, wird die Bahn den Tunnel unter der Badeanstalt hindurch bauen. In diesem Fall würden die Pfähle „im Rahmen des Tunnelvortriebs konstruktiv abgefangen“, teilt Hamann mit. Dabei würden die Lasten, die auf den Pfählen liegen, auf die Tunnelwand umgeleitet, so der Projektsprecher. […] Die Arbeiten im Untergrund könnten Auswirkungen für die Besucher des Hallenbades haben. „Ob der Badebetrieb wie angestrebt über den gesamten Tunnelvortrieb hinweg aufrechterhalten werden kann, befindet sich derzeit in Abstimmung mit der Landeshauptstadt Stuttgart“, so Hamann. Bei der Stadtverwaltung ist man aber offensichtlich nur bedingt verhandlungsbereit.“
Hier der aktuelle Vortriebsstand der Röhren des Obertürkheimer Tunnels in Untertürkheim zum 16.4.2018:
Es ist nicht das erste Mal, so die StZ, dass die Bahn im Neckartal auf Hindernisse trifft. So der unerwartete hohe Wasserandrang in Wangen 2014, aufgrund dessen die Tunnel mit einer Planänderung um vier Meter tiefer gelegt werden mussten. Und der die Mienure gefährdende Wassereinbruch unter dem Untertürkheimer Sportplatz 2016, der nur mit umfangreichen Betoninjektionen in den Boden unter Stillegung des Trainings– und Spilbetriebs bekämpft werden konnte. Die StZ erinnert daran, dass Anwohner die Bahn immer wieder auf die schwierige Geologie im Neckartal hingewiesen hatten. Wir müssen dazu noch ergänzen, dass das Netzwerk Untertürkheim die Bahn auf die dadurch mögliche Pfahlgründung von Gebäuden aufmerksam gemacht hatten.
Wie sehr sich der Verlauf des Neckars in den letzten vierhundert Jahren zwischen Berg und Untertürkheim verändert hat, zeigt die folgende Grafik aus einem Flyer des Landes Baden-Württemberg (Lehrerhandreichung „Von Fischen und Frachtern“ – Hintergrundwissen: Der Neckar früher und heute: Der Weg vom wilden zum gebändigten Fluss)
Und ein Gemälde des Münchner Landschaftsmalers Franz Frakl (1881-1940) Anfang des 20. Jahrhunderts zeigt, wie nahe der Fluss damals am Ortskern von Untertürkheim (und im Gebiet des heutigen Tunnelbaugeländes) floss sowie die umliegenden Auen:
Darum überrascht es, dass die Sachverständigen der Bahn nicht die Flachgründung eines im alten Neckarbett und unmittelbar an einem Kanal gebauten Gebäudes hinterfragt bzw. überprüft haben. Schließlich handelt es sich bei dem Hallenbad nicht um einen Vorkriegsbau, sondern um ein 1971 eröffnetes, städtisches Gebäude, dessen Bauakten doch in den Archiven aufbewahrt werden müssten und das zwischenzeitlich saniert wurde.
Die StZ schreibt in ihrem (noch) nicht online gestellten Kommentar: „Die Erklärung der Bahn, man habe in den städtischen Archiven alte Pläne gefunden, die zeigen, dass die bisherigen Annahmen für den Abschnitt am Neckar schicht falsch sind, erhöht nicht zwingend das Vertrauen in die Vorbereitung der Bahn. Die will und wird für Stuttgart 21 mehrere tausend Grundstücke in Anspruch nehmen. Jeder einzelne sollte sich darauf verlassen können, dass die Bahn im Bilde ist, welche Verhältnisse sie im Untergrund vorfindet.“
Update 18.04.2018: Das Infobündnis Zukunft Schiene macht im PS-Forum darauf aufmerksam, dass bereits im April 2016 im Zuge der geplanten Sanierung des Untertürkheimer Hallenbads im Bezirksbeirat von der Pfahlgründung die Rede war. Eine „vertiefte Voruntersuchung“ zur Klärung der Gründung wäre also nicht notwendig gewesen, ein Blick in den genau zwei Jahre alten StZ-Bericht (hier) hätte auch darüber informiert. Ein Zitat aus der Meldung vom 15.04.2016: „Die Reparatur wird voraussichtlich sehr aufwendig und kostspielig. „Das Problem ist, dass die Abwasserleitung unter den Bodenplatten liegt und das Hallenbad selbst auf Pfählen ruht, die tief im Neckar verankert sind“, erklärt Anita Grube, kommissarische Geschäftsführerin der Stuttgarter Bäderbetriebe. Daher seien die Arbeiten aus statischer Sicht schwierig.“
Das Infobündnis schreibt dazu: „Abgesehen davon gab es damals durchaus kritische Nachfragen in Untertuerkheim zur Vereinbarkeit von Tunnel und Pfahlgründung. Herr S. vom Stuttgarter Bäderamt fand alles völlig unproblematisch. Von Herrn R. (Stabsstelle der LHS für S21) gab es kein Sterbenswort dazu. – Es ist sowas von ungeheuerlich und verlogen, jetzt mit dieser Heuchelei um die Ecke zu kommen, dass einem wirklich die Worte fehlen!“