Bahn informiert über Bau der Neckarbrücke und Tunnelportal Rosenstein. Und was ist mit der Anbindung des Abstellbahnhofs?

Letzten Mittwoch fand im Kursaal eine Informationsveranstaltung der Bahn über die geplanten Bauarbeiten in Bad Cannstatt statt, zu der die Bürgerbeauftragte Alice Kaiser und der Bezirksvorsteher Bernd-Marcel Löffler eingeladen hatten. Leider liegt kein Bericht aus dem Stadtteil vor und auch die beiden Stuttgarter Zeitungen haben den Artikel, der diese Woche erschienen ist, noch nicht online gestellt. Daher möchten wir anhand der Präsentation der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH  (hier) kurz informieren.

In seiner Begrüßung wies S21-Chef Manfred Leger auf den Stand der Bauarbeiten bei Stuttgart 21 hin:

Den neuen, vom Aufsichtsrat der DB AG im Januar genehmigten Zeitplan (Inbetriebnahme Ende 2025) und Kostenrahmen (8,2 Milliarden Euro) findet man nicht in den Unterlagen, stattdessen eine Auflistung der „Herausforderungen“ bei diesem Projekt:

Die  in Bad Cannstatt geplanten Baumaßnahmen wurden von Christoph Lienhard, Abschnittsleiter des Planfeststellungsabschnitts PFA 1.5., und Sebastian Heer, Projektleiter für den Bau der Neckarbrücke, vorgestellt. Die vorgestellten Baumaßnahmen für den Stadtbezirk beschränkten sich auf den Bau der Neckarbrücke (incl. Schallschutzwand) und dem Ausbau des Tunnelportals am Hang des Rosensteinparks bis 2019 mit den Auswirkungen für den Verkehr und die Wegebeziehung im Rosensteinpark.  Bei der Gründung der Neckarbrücke wird darauf hingeweisen, dass diese trotz der Setzung von 200 Bohrpfähle ohne Mineralwasserzutritte realisiert werden konnte.

Die Präsentation enthält folgende Zeitpläne:

Zeitplan Brückenbau:

Arbeiten Rosensteinportal:

In der Präsenation wird auf die schalltechnische Untersuchung des Gutachterbüros für den Bau der Neckarbrücke hingewiesen. Nach diesem sind bei drei der Gebäude in der Schönestraße passive Schallschutzmaßnahmen erforderlich.

Was allerdings auffällt ist, dass in der aktuellen Präsentation von den noch 2010 im Bezirksbeirat vorgestellten Bauarbeiten in Bad Cannstatt im PFA 1.6a zur Anbindung des in Untertürkheim vorgesehenen Abstellbahnhof keine Rede mehr ist. 2010 wurden noch umfangreiche Bauarbeiten am Bad Cannstatter Bahnhof und im Bereich der Deckerstraße angekündigt, u.a. Überwerfungsbauwerke im Bereich der S-Bahn und Arbeiten in unmittelbarer Nähe der Motorenwerke des Daimlers. Hier ein Auszug aus der Präsentation der Bahn vom 17.11.2010:

Auf Cam21 findet man zwei längere Beiträge über diese im Planfeststellungsbeschluss PFA 1.6a vorgesehene Anbindung des Abstellbahnhofs von Bad Cannstatt aus bzw. die dafür erforderlichen Baumaßnahmen:

2014 konnte man allerdings lesen, dass die Bahn für den Abstellbahnhof eine neue Konzeption unter Wegfall der beiden vorgesehenen Überwerfungsbauwerke vorgesehen habe.

Dass auf der Informationsveranstaltung am Mittwoch kein Wort über Bauarbeiten in diesem Abschnitt von Bad Cannstatt verloren wurde, könnte die Spekulation nähren, dass die Bahn aus Kostengründen die Anbindung des Abstellbahnhofs Untertürkheim über Bad Cannstatt „gestrichen“ hat.

Darüber wurde bereits letzten Oktober im Eisenbahner-Forum Drehscheibe aufgrund der letzten Lenkungskreispräsentation diskutiert. Im Eingangs-Statement schrieb „Tunnelmaus“:

„In der hier bereits verlinkten Präsentation zur letzten Lenkungskreissitzung befindet sich auf Seite 32 eine Grafik mit einem Gleisschema des Abstellbahnhofs. Dort bewahrheitet sich das, was @hjaekel hier vor Monaten schon prophezeit hatte und was ich nicht hätte glauben können: Die direkte, höhenfreie Verbindung zwischen dem Abstellbahnhof Untertürkheim und Bad Cannstatt entfällt! Die eigentlich vorgesehenen Ausfahrgleise enden stumpf vor der Güterumgehungsbahn, stattdessen gibt es am anderen (östlichen) Bahnhofskopf zwei neue „Personenzug-Wendegleise“, erreichbar aber nur mit höhengleicher Kreuzung der Güterstrecke sowie der Zuführung Untertürkheim.

Eine Einsparung, die für mich das Gesamtprojekt S21 in Frage stellt, greift sie doch in das fundamentale Grundkonzept ein und ist ein Murks, der die Einbindung der Kleinen Wendlinger Kurve samt ihrer nun doch auf das Westufer des Neckars gewanderten Überleitverbindung bei weitem in den Schatten stellt! Es wäre die Frage, inwieweit derartige Funktionseinschränkungen im Knotenkonzept überhaupt noch von den Realisierungs- und Finanzierungsvereinbarungen gedeckt sind, sofern die Projektpartner dem nicht schon ausdrücklich zugestimmt haben. Ansonsten wäre hier für Stadt, Land und Flughafen durchaus ein Hebel zum Ausstieg.

Die Motivation der DB ist klar: Man möchte den komplexen, zeitaufwendigen und teuren Umbau der Gleisanlagen zwischen Cannstatt und Untertürkheim einsparen, insbesondere das dort vorgesehene extrem lange Überwerfungsbauwerk mit der S-Bahn. Dort sollten ja Abstellbahn und S-Bahn auf fast 500 m Länge quasi doppelstöckig übereinander geführt werden.

Welche Einschränkungen bringt nun diese Konzeptänderung? Sie bewirkt, dass Abstellfahrten von Zügen, die den Tiefbahnhof über die Zufahrten Obertürkheim oder Fildertunnel erreicht haben, den Abstellbahnhof nur noch mit einer Spitzkehre und höhengleicher Kreuzung zweier zweigleisiger Hauptbahnen erreichen können. Und so etwas MITTEN in einem für >7 Mrd neu gebauten Bahnknoten! Absoluter Wahnsinn.
Endende Züge aus der Zufahrt Feuerbach sind also nicht betroffen, ebensowenig dorthin beginnende. Für die Rems- und Murrbahn und die Filstalstrecke lässt sich das neu geschaffene Problem umgehen, indem endende Züge via Zuführung Cannstatt in den Hauptbahnhof geführt werden und via Untertürkheim dann kreuzungsfrei in den Abstellbahnhof gelangen, für beginnende Züge umgekehrt.

Es verbleiben endende oder beginnende Züge der Gäubahn und der NBS, dort entweder aus Ulm oder aus Tübingen via Wendlinger Kurve. Diese müssen entweder via Feuerbacher Zufahrt irgendwohin durchgebunden werden, via der heutigen Güterstrecke 4711 und mit einem Fahrtrichtungswechsel in den Abstellbahnhof zuckeln (wie gesagt, alles höhengleich und eingleisig!) oder via Cannstatter Zufahrt zur derzeit noch geplanten Abstellanlage Obertürkheim gelangen – die allerdings steht laut selbiger Folie dieser Präsentation ebenfalls zur Disposition – weil man ja meint, jetzt auch gleich für alle Ewigkeiten die Regio-Werkstatt im Abstellbahnhof einsparen zu können. (Die DB rechnet offenbar nicht mehr damit, jemals wieder im Stuttgarter Raum eine Regionalverkehrsausschreibung zu gewinnen.)

Das neue Konzept mag also auf dem Papier und angesichts des jetzt geplanten Betriebskonzepts gerade noch funktionieren. Aber man verbaut sich vollkommen unnötig eine letzte Flexibilität für den Störungsfall. Und das zu einem Zeitpunkt, wo der Rest der eingeplanten Engpässe (Flughafen, Wendlinger Kurve) nach und nach beseitigt wird. Sind die doof? Die Planfeststellung für diese neue Abstellbahnhofskonzeption kommt ja erst noch. In diesem Fall würde ich eine Klage dagegen begrüßen, m.E. ist die vorgesehene Planung wegen erheblicher Kapazitätsmängel und schädlicher Auswirkungen auf den Rest des Bahnknotens nicht planfeststellbar. Die Kritik daran kann gar nicht scharf genug sein.“

Nachdem die Bahn ihre Pläne für den S21-Abstellbahnhof in Untertürkheim zum dritten Mal seit 2006 komplett überarbeitet hat, hatte sie diese Anfang April 2017 beim Eisenbahn-Bundesamt zur Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens einreicht. Doch laut einem Kontext-Bericht vom September 2017 ruht das Genehmigungsverfahren,  allerdings zurzeit – auf Wunsch der Bahn: „Der Planfeststellungsantrag des PFA 1.6b ruht aktuell, da es offene Punkte in der technischen Planung gibt, die sich durch die Vergabe von Verkehrsleistungen an andere Eisenbahnverkehrsunternehmen als die DB ergeben haben“, sagt nun ein Bahnsprecher auf Kontext-Anfrage. Auch wegen offener Punkte im Artenschutz müsse der Antrag überarbeitet werden.

Von daher wäre es auch denkbar, dass die Bahn für die Bauarbeiten im Bereich der Deckerstraße  die Einreichung bzw. das Planfeststellung der komplett überarbeiteten Unterlagen für den Abstelbahnhof Untertürkheim abwarten wird.

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