Netzwerke 21 wenden sich in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Aufsichtsrats der DB AG

Morgen tagt der Aufsichtsrat der DB AG. Neben den geplanten massiven Einschnitten im Güterverkehr und Werksschließungen steht u.a. Stuttgart 21 und das von der Bahn beauftragte Gutachten von KPMG und Ernst Basler + Partner auf der Tagungsordnung. Die beiden Stuttgarter Zeitungen (hier) berichten heute darüber. Die Gutachter haben deutlich auf die Langzeitrisiken für den Tunnelbau und Betrieb des Bahnknotens im quellfähigen Anhydrit hingewiesen. Beim Bau der Tunnel im Anhydrit wird laut den Gutachtern ein „im Ingenieurbau unüblich hohes Risiko für die Betriebstauglichkeit“ eingegangen wird. Der Bahnbetrieb wäre bei grösseren Schäden „nicht mehr gewährleistet“ und Schäden an darüberliegenden Gebäuden damit verbunden. Nicht nur Ministerpräsident Kretschmann ist nach einer aktuellen Meldung der StZN (hier) beunruhigt.

Letzte Woche haben die Netzwerke 21 der vom Tunnelbau betroffenen Anwohner in einer Pressemitteilung Garantien von Bund und Bahn für alle Schäden gefordert, die an den Gebäuden aus dem Tunnelbau resultieren.  Rudi Röder vom Netzwerk Killesberg und Umgebung hat diese Forderung auf der Pressekonferenz des Aktionsbündnis bekräftigt.

Mit dieser Forderung  haben sich die Netzwerke 21 Ende letzter Woche in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Bahn, Prof. Dr. Dr. Utz-Hellmuth Felcht, gewandt. Lesen Sie hier:

Sehr geehrter Herr Professor Felcht,

endlich hat ein offizielles Gutachten, nämlich das von Ihnen beauftragte Gutachten der KPMG, die Risiken des Anhydrit für die Tunnel von Stuttgart 21 benannt. Endlich kann jeder nachlesen, was die Netzwerke der vom S21-Tunnelbau betroffenen Anwohner und Eigentümer seit Jahren behaupten: Das Bauen im Anhydrit ist mit großem Risiko verbunden. Es gibt kein bautechnisches Verfahren, welches die Risiken ganz ausschließen kann. Im Jahr 2013 haben die Netzwerke bei einem Geologen, der mit den Stuttgarter Verhältnissen aufs beste vertraut ist, eine gutachterliche Stellungnahme in Auftrag gegeben, der den Vortrieb durch das tückische, quellfähige Gestein als extrem problematisch bezeichnete. Und wir haben der DB Netze, vertreten durch die PSU, mehrfach vorgehalten, dass sie mit den Risiken fahrlässig umgehe. Doch jegliche Kritik wurde von der Bahn mit Hinweis auf die langjährigen Forschungsarbeiten und Erfahrungen ihres Sachverständigen für den Tunnelbau, Prof. Dr.-Ing. Walter Wittke (WBI), und die Beherrschbarkeit der Risiken abgetan. Noch im Januar wurde ein Mitglied der Netzwerke als „Verschwörungstheoretiker“ geschmäht, als es gegenüber Vertretern der PSU auf die unterschätzten Risiken hinwies.

Dabei musste die PSU wenige Monate später einräumen, dass die noch 2010 in der Schlichtung von Professor Wittke dargestellten doppelt abgesicherten Schutzmaßnahmen („Gürtel und Hosenträger“) für den Bau der Tunnel unter dem Killesberg gegen den Quellprozess nicht ausreichend sind und ein 144 Millionen teures Verfahren mit Kunstharzinjektionen erforderlich ist. Diese wirken jedoch nur in unmittelbarer Umgebung der Tunnelröhren, von denen die Injektionen ausgehen. Während die Gebirgslockerungen und Rissbildungen durch die teils heftigen Sprengungen Wasserwege eröffnen, aus Sicht der Netzwerke unkalkulierbar sind.

Nun ist mit dem KPMG-Gutachten die Wahrheit also auf dem Tisch. Die PSU bagatellisiert aber weiter, sagt, dass die Tunnel schon X Kilometer vorgetrieben sind, und „alles ging gut“. Zu genau aber wissen wir hier im Südwesten, in dem auch Staufen und der Engelbergtunnel liegen, dass es vor allem die Spätfolgen sind, die Tunneln resp. Gebäuden mit Hebungen und Zerstörungen zu schaffen machen. Und für einen Autobahntunnel sind Schäden durch quellenden Gipskeuper noch vergleichsweise harmlos.

In dem von Ihnen beauftragten KPMG-Gutachten wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit den Quellprozessen auch Gebäudeschäden verbunden sein können. Über den Tunneln liegen die Grundstücke und Häuser von Hunderten von Stuttgarter Bürgern. Es sind unsere Häuser, die von den gravierenden Risiken betroffen sind und mit denen die Bahn offensichtlich spielt. Wenn hier Schäden auftreten, wird Eigentum und Vermögen vernichtet, das weder der Bahn noch dem Bund oder einer anderen öffentlichen Hand gehört. Auf die Versicherungen der Bahn werden wir, die wir schon Erfahrungen mit den Schadensabwicklungen bei Setzungen und Rissen an Häusern haben, uns nicht verlassen. Nicht zuletzt, weil die Quellungsprozesse noch nach Jahrzehnten Schadensfälle generieren können, rechnen wir hier nicht mit Kompensation. Vielmehr fordern wir, die Netzwerke 21, für unsere Mitglieder sowie für deren Häuser und Grundstücke Garantien der Bundesrepublik Deutschland als Mutter der Bahn, dass jeder Schaden an Gebäuden, der aus dem Tunnelbau resultiert, vollumfänglich übernommen wird.

Wir bitten Sie, die anstehende Sitzung des Aufsichtsrats dazu zu nutzen, sich ein realistisches Bild von den dramatischen Risiken dieser geologischen Zeitbombe für die Bahn sowie für deren Glaubwürdigkeit und Zukunftsfähigkeit zu machen.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Uwe Dreiss                         Ulrich Hangleiter               Frank Schweizer

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