Pressemitteilung Aktionsbündnis vom 3.12.2016: „Die Deutsche Bahn AG hatte das von ihrem Aufsichtsrat beauftragte Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und des Ingenieurbüros Ernst Basler+Partner als Bestätigung ihrer Termin- und Kostenkalkulation gefeiert. Der Bundesrechnungshof wurde mit Verweis auf KPMG/Basler abgekanzelt, es bleibe bei 6,5 Milliarden Euro und in etwa bei den angekündigten Fertigstellungsterminen. Nachdem das Gutachten nun bekannt geworden ist, wird verständlich, warum es mit hohem Aufwand geheim gehalten werden sollte.
Den Gutachtern wurde nur der Termin- und Kostenbericht (T&K) der Deutschen Bahn AG übermittelt. So könne man „nicht beurteilen, ob der Bericht sämtliche relevanten Kosten für das Vorhaben Stuttgart 21 beinhaltet. Interviews bzw. Gespräche mit Personen außerhalb der Sphäre der PSU (Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm) sollten ebenfalls nicht geführt werden“. „Deshalb war die Nachvollziehbarkeit des Berichts nur eingeschränkt und mit erheblichem Aufwand möglich“, so die Gutachter (siehe hierzu die Stellungnahme von Professor Böttger).
Trotz dieser Einschränkungen listen die Gutachter reihenweise Wenns und Abers, unterschätzte Risiken und überschätzte Kostensenkungsversprechen auf. Eine Quantifizierung all dieser Risiken würde die Kostenprognose sehr schnell in den Bereich der 8 bis 10 Milliarden Euro und darüber hinaus katapultieren, die sowohl der Bundesrechnungshof als auch das Büro Dr. Vieregg ermittelt hatten. Die Geheimhaltung des Gutachtens und die selektive Herausstellung der 6,3 bis 6,7 Milliarden muss, so Bündnissprecher von Loeper, „als erneuter Versuch der DB gewertet werden, Politik und Öffentlichkeit über die Kostenentwicklung von Stuttgart 21 zu täuschen“.
Einen Schwerpunkt der Begutachtung stellt das von der Bahn nicht kommunizierte völlig unterschätzte Risiko des Tunnelbaus durch 14 Kilometer Anhydrit dar. In ganz Deutschland und der Schweiz wurden in den letzten Jahren nur 12 Kilometer Verkehrswege durch Gipskeuper gebaut und dies mit oft später hohen Sanierungskosten (siehe die Stellungnahme des Geologen Dr. Laternser). Für das Projekt „Stuttgart 21“ halten die bahneigenen Gutachter deshalb Bauverzögerungen bis zu 36 Monaten für möglich und sehen „ein im Ingenieurbau unüblich hohes Risiko für die Betriebstauglichkeit“ von Stuttgart 21. Was eine infrage stehende Betriebstauglichkeit des Stuttgarter Bahnknotens für die Metropolregion und die Bürger der Stadt bedeutet, sollte zum Thema für die Verantwortlichen in Stadt und Land werden, so von Loeper.
Das Aktionsbündnis hat in einer umfangreichen Stellungnahme die zwanzig Bahn-Aufsichtsräte aufgefordert, in der Sitzung am 14. Dezember in Berlin die neue Lage nicht weiter zu leugnen. Der Kostenrahmen bewege sich unübersehbar auf 10 Milliarden Euro zu. Über die Hälfte dieser Summe ist im Streit und würde am Ende den Bundes-, Landes oder städtischen Haushalt belasten – allen Dementis der Beteiligten zum Trotz. Dass dieses Projekt, wenn überhaupt, erst zum Jahreswechsel 2024/25 fertig werden könnte, bestätigen selbst die Bahngutachter. Zudem wäre es durch nichts zu rechtfertigen, wenn sich der Bahn-Aufsichtsrat über die gutachterlich bestätigten hohen Risiken der Betriebstauglichkeit durch Anhydrit hinwegsetzen würde…“
Weitere Informationen unter der Webseite von Kopfbahnhof 21.
Pressemitteilung MdB Matthias Gastl: „Die Deutsche Bahn wollte von KPMG keine ehrliche Analyse, sondern ein Gefälligkeitsgutachten. Der Aufsichtsrat hat den Prüfauftrag so stark eingeschränkt, dass die Ergebnisse die bisherigen Aussagen der Bahn nur in Teilbereichen erschüttern konnten. KPMG war weder befugt, über die von der DB bereitgestellten Dokumente hinausgehende Daten anzufordern noch notwendige Gespräche mit externen Experten zu führen. Dass die Ergebnisse zu den Gesamtkosten und zum Inbetriebnahmezeitpunkt eine entsprechend beschränkte Aussagekraft haben gibt KPMG auch zu. Trotz der Einschränkungen ist das Gutachten ein Rüffel für die Deutsche Bahn. Es legt offen, dass die Bahn Risiken vertuscht, das Anhydritproblem stark unterschätzt und beim Reporting nicht auf dem aktuellen Stand ist. Zudem wird deutlich, dass der Zeithorizont für die Inbetriebnahme nicht zu halten ist und bei den Gesamtkosten nicht abschätzbare Risiken für Kostensteigerungen bestehen. Wer ein Risikomanagement wie die Deutsche Bahn betreibt braucht sich nicht zu wundern, wenn fortwährend die Kosten entgleiten und Vertrauen zerstört wird.“