Die beiden Stuttgarter Zeitungen berichteten in ihrer Samtagsausgabe (hier), dass die umstrittene Entschädigungsregelung bei der Unterfahrung für Stuttgart 21 nun gerichtlich durch einen von Haus und Grund vertretenen Eigentümer überprüft werden soll. Die StZN schreibt:
„Ende November will Wecker die entscheidenden Gespräche mit Hauseigentümern im Stuttgarter Norden führen, deren Objekte und Flächen als idealtypisch für ein Verfahren vor der Baulandkammer des Landgerichts Stuttgart angesehen werden. Es gehe um ein klassisches Mehrfamilienhaus, das zum Teil untertunnelt werde, der Streitwert sei überschaubar, sagt der Geschäftsführer. Wichtig sei, dass die Eigentümer, die Vereinsmitglieder sind, das Verfahren im Zweifelsfall bis zum Bundesgerichtshof durchziehen, denn die Bahn setzt auf eine endgültige Klärung. Der Verein sagt den Klägern seine Hilfe zu und will sie mit eigenen Gutachten stützen. „Es gibt sehr viele Fälle mit geringem Abstand zwischen Häusern und Tunneldecke, zum Beispiel in Untertürkheim“, so Wecker. Er sieht die Eigentümer übervorteilt.“
Zu dieser Meldung der beiden Stutgarter Zeitungen haben die Netzwerke folgende Pressemitteilung verschickt:
Prozess überfällig
Die Netzwerke21 haben seit Jahren mit der Projekt Stuttgart–Ulm GmbH (PSU) in etlichen Gesprächen versucht, einen Gestattungsvertrag auszuhandeln, der die Interessen der vom Tunnelbau für Stuttgart 21 betroffenen Eigentümer angemessen berücksichtigt. Wesentliche Hinderungsgründe, um zu einer vernünftigen Regelung zu kommen, waren die Frage der Bewertung der Grundstücke mit Blick auf eine Entschädigung, die Einbeziehung der Wertminderung der gesamten Immobilie, d.h. von Grundstück und Gebäude sowie sich widersprechende Enteignungsgesetze von Bund und Land.
Die Netzwerke 21 vertreten von Anfang an die Auffassung, dass die „Grundbuchverschmutzung“ durch das Projekt Stuttgart 21 angemessen entschädigt werden muss. Für viele Eigentümer ist die eigene Immobilie nicht nur lebenslanges selbstbestimmtes Wohnen sondern auch ein Teil der Altersversorgung.
Daher begrüßen die Netzwerke 21, dass es endlich zu einem Prozess kommt, über den das nicht legitimierte Bewertungsverfahren, das die Projektgesellschaft anwendet, nun gerichtlich überprüft wird. Seit mehreren Jahren haben die Netzwerke sich bzw. Mitglieder aus ihren Reihen der Bahn als Gegner für einen Musterprozess angeboten. Juristische und aus Sicht der Netzwerke nicht nachvollziehbare Bedenken haben die Bahn jedoch davon abgehalten, sich mit den Netzwerken 21 in eine solche Auseinandersetzung zu begeben.
Die Netzwerke 21 fordern, dass die Entschädigung nach dem sog. „Verkehrswert“ , also nicht lediglich nach dem stets niedrigeren “Bodenrichtwert“ zu bemessen ist. Dies ergibt sich ausdrücklich aus § 9 Abs.1 des Landesenteignungsgesetzes BW, auf das das Allgemeine Eisenbahngesetz – ein Bundesgesetz – verweist. Danach ist der Verkehrswert der „Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Enteignungsgegenstandes . . . zu erzielen wäre“. Er umfasst also den individuellen Wert eines Grundstücks einschließlich seiner Bebauung.
Es war und ist aus Sicht der vom S21-Tunnelbau betroffenen Eigentümer völlig unverständlich, dass die Bahn sich weigert, diese Rechtsvorschriften anzuwenden.
Die von der PSU angebotenen Entschädigungen sind im Übrigen schon deshalb rechtswidrig, weil es sich bei dem von der PSU bestellten DIA-Gutachten nicht um ein Gesetz handelt. Eine Enteignung ist jedoch nach Artikel 14 Abs.3 Satz 2 des Grundgesetzes nur auf Grund eines Gesetzes zulässig, „das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt“.