Update 21.09.2016: Der SWR (Bericht 1/ Bericht 2) und der Stern (hier) berichten exklusiv aus einem ihnen vorliegenden Gutachten des Bundesrechnungshofs, dass Stuttgart 21 noch teurer wird. Die Kostenschätzung von 10 Milliarden, die bereits im Juli 2016 durchsickerten, ist nicht genannt. Aber der Bericht des BRH weist darauf hin, dass rund zwei Milliarden Euro Projektrisiken und Kosten sowie zusätzlich eine Milliarde Euro Bauzeitzinsen von der Bahn nicht im bisherigen Kostenrahmen abgebildet seien. Mit weiteren Mehrkosten sei wegen nicht auszuschließenden Bauverzögerungen zu rechnen.
Der SWR schreibt: „Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hält den Bericht des Bundesrechnungshofes für „beunruhigend“. „Die Bahn hat offensichtlich die Chancen des Projekts Stuttgart 21 stets überbewertet und dessen Risiken unterbewertet“, so Hermann. Er betonte, dass für die Kostensteigerung die Bahn und der Bund aufkommen müssten. Das Land zahle nicht mehr als die maximal zugesagten 930 Millionen Euro.“
Die DB AG reagiert erneut mit der Kritik, dass der Bericht ihr nicht bekannt sei. Diesen Vorwurf hat der Bundesrechnungshof in seiner Presseerklärung bereits deutlich zurückgewiesen: „Der Bundesrechnungshof hat die Deutsche Bahn AG von Beginn in das Prüfungsverfahren einbezogen. Er weist die von führenden Vertretern der Deutschen Bahn AG und ihrer Projektgesellschaft öffentlich erhobenen Vorwürfe gegen ihn zurück, seine Feststellungen basierten auf veralteten Unterlagen. Die Vorwürfe entsprechen nicht der Sachlage und sind für eine sachliche Diskussion in den zuständigen Gremien wenig hilfreich.“
Weitere Berichte (StZ 1 / STZ 2/ STZ-Kommentar / Süddeutsche / SWP / TAZ / Handelsblatt). Unter anderem werden in den Meldungen folgende nicht ausreichend berücksichtigte Projektrisiken und Kosten aus dem Prüfbericht des Bundesrechnungshofes genannt:
- Zu niedrig einkalkulierte Mehrkosten (17,5 statt üblicherweise 24%), obwohl das Projekt erheblich mehr geologische Risiken (Anhydrit) aufweist als normale Bahntrassen. Die Bahn allerdings habe laut TAZ „aus Kostengründen die Tunnelwände sogar dünner kalkuliert und die Sicherungen gegen das Quellgestein nur für einen kleinen Teil der kilometerlangen Tunnelröhren kalkuliert.“
- Versteckte Kosten, wie Rückbau der alten Gleise, diverse Planungskosten, Verzugszinsen für zu spät verkaufte Grundstücke.
- Während der Bauphase anfallende Zinsen für Fremdkapital in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro. (Die StZ weist in ihrem Kommtar daraufhin, dass diese Kosten nach der Finanzvereinbarung aus dem Jahr 2009 nicht den Kosten des Projekts zugeschlagen werden sollen. Dennoch müssen diese Kosten von der DB AG finanziert werden.)
- Das Risiko besteht, dass die Bauherrin Bahn keine oder nur eine eingeschränkte Betriebsgenehmigung für die „erheblichen“ Längs- und Querneigungen der Gleise und Bahnsteige erhalte.
- Mehrere zeit- und kostenkritische Abschnitte des Projektes , wie z.B. die Anbindung von Stuttgart 21 an den Flughafenbahnhof. Es besteht die Gefahr, dass sich die Inbetriebnahme um zwei Jahre verzögern und etwa 300 Millionen Euro Mehrkosten verursachen könnte.
Die Badische Zeitung kommentiert in „Ist die Bahn selbst eine Baustelle?: „Inzwischen wird gebohrt und gegraben, obwohl noch nicht alle Baugenehmigungen vorliegen. Es werden Fakten geschaffen, obwohl es noch keine Betriebsgenehmigung für die zu stark geneigten Bahnsteige gibt. Obwohl die Kostenkalkulationen mit schöner Regelmäßigkeit nach oben korrigiert werden und seriöse Einrichtungen wie der Bundesrechnungshof vor Milliardenrisiken mahnen, wiederholen die Bahnvorstände mantraartig, alles im Griff zu haben. Das Versprechen vor der Volksabstimmung, bei 4,5 Milliarden Euro liege die Obergrenze, ist längst Makulatur. Ist es also nicht eher so, dass die Bahn keine Baustelle hat, sondern eine ist?“
Der SWR kommentiert in „Kein Preis zu hoch“ den Bundesrechnungshofsbericht. Ein Zitat daraus: „Da reicht es als Antwort nicht aus, nur auf die Unumkehrbarkeit des Projekts zu verweisen. Wenn die finanzielle Stabilität der Bahn AG auf dem Spiel steht, wie der Bericht der Rechnungsprüfer warnt, der Steuerzahler im Zweifelsfall für die Risiken zahlen muss, ist es höchste Zeit, sich ehrlich zu machen – sowohl für die Bahn als auch für ihre politischen Aufseher. Sie müssen ihre Kontrollfunktion endlich wahrnehmen. Denn dass gar kein Preis zu hoch ist – das kann auch für das Symbolprojekt Stuttgart 21 nicht gelten.“
Bereits vorgestern hatte das Aktionsbündnis die Ablösung des Bahnchefs Rüdiger Grube wegen seiner Äußerung, dass Stuttgart 21 unumkehrbar sei, gefordert. Die Stuttgarter Zeitung (hier) berichtete darüber.